Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)
bewahren.
»Laura!«,
stieß er mühsam hervor. Seine Augen waren nach oben verdreht, sein Brustkorb
hob und senkte sich hektisch wie unter spastischen Krämpfen.
Eine
einzelne Träne lief meine Wange hinab, meine Hände zitterten unkontrolliert.
»Kiro«, flüsterte ich. »Mein Kiro.«
Und
in diesem Moment entglitt das Buch meinem Arm und fiel polternd zu Boden.
NEIN! Die Sporen des Reiters trieben sich in
mein Gehirn, Schmerz zuckte durch meinen Kopf wie ein Leuchtfeuer. Ich brüllte
und presste die Fäuste gegen die Schläfen, hämmerte auf meinen Schädel ein, als
wollte ich das, was darin festsaß, herausprügeln.
»Verschwinde
aus meinem Kopf!«, kreischte ich.
Ein
irrsinniges Geheul erhob sich um mich, und es dauerte eine Weile, ehe ich
begriff, dass ich die Verursacherin dieses schauderhaften Geräusches war. Meine
Glieder zuckten unkontrolliert, während meine Schädelknochen von der Gewalt
meiner drückenden Hände zu knirschen begannen. In meinem Inneren tobte ein
Zerren und Ziehen, ich registrierte, wie mir erneut die Kontrolle über meinen
Körper zu entgleiten drohte. Die Kraft des anderen ballte sich zusammen, wurde
zu einer einzigen, gigantischen Masse, die sich mir entgegenstemmte, mich
einfach überschwemmen musste, wenn sie zum Angriff überging, und plötzlich –
erlosch.
Buchstäblich
einen Sekundenbruchteil, bevor unsere Geister wirklich aneinanderprallen
konnten, gab Er Seinen Widerstand plötzlich auf und ließ mich
frei, als hätte Er mit einem Mal Angst vor dem Ausgang dieser Auseinandersetzung
bekommen.
Oder,
was ich für weitaus wahrscheinlicher hielt, ich war zu kostbar für Ihn , um vernichtet zu werden.
Mit
einem japsenden Schrei brach ich zusammen wie eine Gliederpuppe. Zitternd fand
ich mich auf dem Boden wieder, begriff für einen Moment weder wer ich war noch
wo noch warum. Das stählerne Band, das sich um meinen Körper gezogen hatte, war
zerrissen, und auch der unmenschliche Druck auf meiner Stirn war ganz unvermittelt
erloschen wie abgeschaltet.
»Kiro«,
japste ich.
Obwohl
ich durch die Schleier der Erschöpfung vor meinen Augen kaum etwas erkennen
konnte, rappelte ich mich auf die Ellbogen hoch und robbte vorwärts, in die
Richtung, in der ich Kiro vermutete.
Hoffentlich
war es noch nicht zu spät.
Ich
streckte den Arm aus und ertastete einen Hemdsärmel, den ich krampfhaft
umschloss. Das Fleisch darin war reglos wie tot.
»Nein,
nein, nein.« Ich kämpfte mich auf die Knie hoch und legte beide Hände auf Kiros
nun so grässlich stille Brust. Schweiß brach mir in Strömen aus, als ich die
Augen schloss und meine allerletzten, verbliebenen Kräfte sammelte, um den
grässlichen Fluch von ihm zu nehmen.
Langsam,
endlos langsam löste die Energiekugel sich von seinem Herz, und endlich
schwebte sie aus seinem Leib empor und löste sich vor meinen Augen in Nichts
auf.
»Atme!«,
flehte ich und schüttelte den jungen Mann. »Bitte atme!«
Kiro
regte sich nicht, sein feucht glänzendes, weißes Gesicht war starr wie Porzellan.
Ohne
länger zu zögern, beugte ich mich über ihn und presste meine Lippen auf die
seinen, um mein Leben in seinen reglosen Körper zu zwingen. Meine Hände bearbeiteten
unterdessen seinen Brustkorb, hieben so heftig darauf ein, dass ich Rippen
knacken hörte. Einmal. Zweimal. Dreimal. Der junge Mann blieb still wie eine
Puppe.
»Kiro!«,
stieß ich hervor. »Kiro, bitte!«
Wieder
drückte ich meine Lippen auf seine, die so kalt, so schrecklich kalt und
schlaff waren.
Zu lange , dachte ich. Sein Herz stand zu
lange still.
Und
da, endlich, schnappte Kiro heftig nach Luft und schlug ruckartig die Augen
auf.
»Gott,
danke«, seufzte ich und presste ihn fest an mich.
»Laura?«,
drang Kiros Stimme dumpf an mein Ohr. »Was … ist passiert? Bist du wieder …?«
Ein
heftiges Schluchzen entrang sich meiner Kehle, und ich drückte mein heiß
glühendes Gesicht gegen das Kiros. »Ja, das bin ich. Es tut mir leid, Kiro. Es
tut mir so schrecklich leid.«
»Ist
schon gut«, murmelte Kiro und strich mir schwach durch das Haar.
»Gut?«,
echote ich ungläubig. Selbst jetzt noch versuchte er , mich zu trösten.
» Nichts ist gut! Ich hätte dich fast getötet.«
»Du
tust so, als wäre es für uns etwas Neues, dass einer den anderen fast umbringt«,
gab er zurück. Noch immer atmete er schwer und pfeifend, aber das schien ihn
nicht daran zu hindern, Witze zu machen. »Außerdem warst das nicht du selbst.«
Ich
wollte etwas darauf erwidern,
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