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Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Titel: Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Vogltanz
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Familie mehr, auch keine
Freunde. Aber was erzähle ich dir da, niemand weiß das so gut wie du.«
    Meine
Hände verkrampften sich fester um das Buch, meine Schritte verlangsamten sich.
»Kiro weiß, dass du lebst.«
    »Woher
sollte er das wissen?«
    »Ich
habe es ihm gesagt.«
    Mike
schluckte hörbar. »Danke«, sagte er nach einer langen Pause.
    »Vermisst
du deinen Bruder?«
    Gedankenverloren
strich Mike sich durch das lange, vom Regen klatschnasse Haar. »Natürlich. Seit
unsere Eltern sich nicht mehr um uns scheren, ist er alles, was ich noch an
Familie habe. Aber ich versuche, nicht allzu viel über ihn nachzudenken. Ich
weiß, dass ich ihn niemals wiedersehen werde.«
    »Warum
glaubst du das?«
    Mike
schwieg eisern, und ich begriff, dass er nicht weiter über seinen Bruder
sprechen wollte. Ich verstand ihn nur zu gut. Manchmal war es besser,
Erinnerungen auszulöschen, die nur Schmerz für einen bereithielten.
    Eine
Weile gingen wir mit schleifenden Schritten durch den unterirdischen Gang, ohne
den Blick von unseren nackten Füßen zu heben. Ich dachte schon, wir würden uns
anschweigen, bis wir unser Ziel erreicht hätten und uns trennten, als Mike
plötzlich herausplatzte: »Was ist es, was Er an dir findet? Ich meine,
warum wollte Er dich um jeden Preis haben?«
    »Das
verletzt mich jetzt aber. Ist das nicht offensichtlich?«, versuchte ich, die
Stimmung etwas aufzulockern.
    »Laura,
verarsch mich nicht!« Sein heftiger Ton traf mich vor allem deshalb, weil er so
überraschend kam. »Ich werde die nächsten Stunden wahrscheinlich nicht
überleben – was sage ich da, das werde ich mit Sicherheit nicht –, und
ich habe es verdient, dass mir hier mal jemand die Wahrheit sagt. Ich diene
diesem größenwahnsinnigen Houdini, weil ich glaube, dass er die Welt vor dem
Untergang bewahren wird. Dafür habe ich so einiges in Kauf genommen. Als Krähe
haben mich Falken gejagt, als Mensch die Polizei, in meinen Träumen mein
Gewissen. Ich rechne nicht damit, das hier zu überstehen, ich hoffe nur, dass
die anderen es überstehen – jene, die ich liebe, die ich hasse, ja sogar die,
die ich nicht mal kenne. Aber, Laura, bevor ich gehe, ist das Mindeste, was ich
von dir und deinesgleichen verlangen kann, eine klare Antwort. Was plant ihr,
du und dieser mordlustige Irre? Sag es mir! Bitte«, fügte er beinahe flüsternd
hinzu.
    Ich
presste die Lippen zu einem blutleeren Strich zusammen. Mike hatte mich während
seiner energischen Rede an der Schulter herumgerissen und sich an mir
festgeklammert, mir seine Forderungen förmlich ins Gesicht gebrüllt. Noch immer
spürte ich seinen Speichel an meinen Wangen.
    »Mike«,
sagte ich leise, während ich vorsichtig seine Hände von meinen Schultern löste,
»ich verstehe dich sehr viel besser, als du glaubst. Auch ich habe Angst. Auch
ich weiß nicht genau, was mich erwarten wird. Ich kann dir auch nicht versprechen,
dass die Welt dieses Chaos heil übersteht. Aber ich weiß, dass dieses Buch«,
ich hielt das triefend nasse Overall-Bündel in die Höhe, »unsere Rettung
bedeutet. Dieses Buch und … und ich.«
    Mike
biss sich krampfhaft auf die Unterlippe, seine Augen glänzten seltsam. »Dann
heißt das also, es gibt keine Garantie, dass euer Plan funktioniert.«
    »Keine
Garantie«, bestätigte ich.
    Mikes
Miene gefror. Er ließ die Hände, die er bisher zum Zupacken bereit erhoben
hatte, sinken und starrte an mir vorbei ins Nichts.
    »Mike?«,
fragte ich behutsam. Ich wollte ihn berühren, aber er wich mit einem Zischen zurück.
    »Es
wird Zeit«, sagte er, ohne mich dabei anzusehen. » Er erwartet uns sicher
schon ungeduldig.«
    Ich
nickte und setzte meinen Weg fort. »Dazu hat Er auch allen Grund«, erwiderte
ich. »Uns bleiben nur noch Stunden.«
    Mike
schwieg. Seine redselige Stimmung war ebenso rasch verflogen, wie sie gekommen
war. Mit gesenktem Blick und schlurfenden Schritten folgte er mir auf dem Fuße
wie ein artiger, aber eingeschnappter Hund.
    »Mike?«
    »Hm?«
    »Willst
du wissen, was geschieht, wenn … wenn es schief geht? Wenn wir es nicht
schaffen, die Veränderung aufzuhalten?«
    Mike
grunzte, was ich als Ja interpretierte.
    Ich
sog die schal schmeckende Luft des unterirdischen Ganges tief in die Lungen,
streichelte über das Bündel in meinen Händen. Darin standen die Antworten – ich
hatte sie alle gelesen. »Wir haben noch Zeit bis Neumond«, sagte ich. »Die Zeit
der Erneuerung, zu der auch die menschlichen Geister gereinigt werden. Die
Spannungen der

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