Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)
Schädling zu Leibe rückt. Dies zumindest hat der
Rattenfänger ja sehr lebhaft in Szene gesetzt.
Wie
diese Verwandlung vonstattengehen konnte, war, wie so vieles andere, zwischen
jenen alten, rissigen Pergamentseiten verborgen. Doch anfangs wagte ich es noch
nicht, dieses Buch, dessen wahre Macht ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht
ermessen konnte, zu nutzen. Dazu sollte es erst später kommen …
Als
ich in der Nacht des Mordes nach Hause zurückkehrte, wurde ich bereits
ungeduldig von meiner sorgenvollen Eloin erwartet. Wir kannten uns damals erst
einige Monate, dennoch waren wir bereits verheiratet und seelisch so fest
zusammengewachsen, wie das bei zwei jungen Menschen nur möglich ist. Als ich so
vor ihr stand, von Blut besudelt und mit bleichem Gesicht, stieß sie einen leisen
Schrei des Entsetzens aus und schloss mich in ihre Arme. Ich erwiderte die
Umarmung nicht, ließ mich von ihr halten und wiegen wie ein Kind. Je länger ich
in ihren Armen lag, desto mehr kehrten die Wärme und das Leben in meinen Körper
zurück, und ich presste mich fester und fester an sie, begreifend, wie knapp
ich dem Tod tatsächlich entronnen war.
Nachdem
wir uns beide wieder etwas beruhigt hatten, setzten wir uns und ich erzählte
ihr alles. Eloin machte mir Vorhaltungen, weil ich mich dieser gefahrvollen
Aufgabe allein gestellt hatte, aber sie zeigte sich auch stolz auf mich, weil
es mir gelungen war, den gefährlichen Magier unschädlich zu machen. Sie bot mir
an, eine Kerze für die Seele des Mannes zu entzünden, und ich willigte ein,
denn noch immer quälte mich das schlechte Gewissen. Ein Mord gehörte bei uns –
damals – keinesfalls zum Alltag.
Dass
ich die Seele des anderen der meinen hinzugefügt hatte, bereitete Eloin mehr
Sorgen als alles andere, was ich ihr berichtet hatte. Sie machte mir keinen Vorwurf,
sie wusste ja, dass sie mich andernfalls für immer verloren hätte, doch sie
machte auch keinen Hehl daraus, dass sie um die Unbeflecktheit meines Geistes
fürchtete. Ich wies ihre Sorgen gleichgültig von mir. Es stimmte, die Energie
des Magiers hatte mich gestärkt, doch dies war auch schon der einzige Einfluss,
den sein magischer Abdruck auf meinem Geist auf mich ausübte. Es dauerte nicht
lange und auch Eloin begann dies zu glauben.
Das
Buch des Magiers öffnete ich nur ein einziges Mal, um es Eloin zu zeigen, schloss
es jedoch beinahe sofort wieder. Schon das abstruse Zeichen auf dem schwarzen
Einband hatte mich abgeschreckt, die verschlungenen Symbole im Inneren des
Folianten machten mir sogar beinahe Angst. Ich war kein unbegabter Magier, und
so spürte ich augenblicklich die Bedrohung, die von diesem uralten Buch ausging.
Ich kam mit Eloin darin überein, dass wir es sicher verwahren und niemals
wieder einen Blick hineinwerfen würden.
Natürlich
kam es ganz anders.
Es
dauerte nur einige Tage, ehe die ersten Schwierigkeiten in unserem bis dahin so
ruhig dahinplätschernden Leben auftauchten. Der Polizeibeamte, dem ich in der
MONDSCHEINGASSE einen riesigen Schrecken eingejagt hatte, hatte überlebt und
eine Fahndung nach mir in Auftrag gegeben. Ich kann bis heute nicht sagen, wie
viel er seinen Kollegen von unserer Begegnung erzählte, doch offensichtlich war
es ausreichend, um diesen blinden Kettenhunden eine Heidenangst zu machen. Schon
bald waren meine Gefährten und ich zu gesuchten Verbrechern geworden. Immer
knapper entgingen wir den Razzien und polizeilichen Hausdurchsuchungen, die so
bereitwillig von oben genehmigt wurden. Die Stadt wurde zu einem Minenfeld.
Sehr
bald sahen Eloin und ich uns gezwungen, unsere wichtigste Habe zusammenzupacken
und unser trautes Heim zu verlassen, um an einem sichereren Ort Zuflucht zu
suchen. In dieser Zeit waren wir nicht die Einzigen, die ihr Dach über dem Kopf
aufgeben mussten, um ihren Hals zu retten.
In
unserem Umfeld wurden peinliche Befragungen durchgeführt, oftmals mit
unlauteren Mitteln. Da die Behörden sehr bald dahinterkamen, dass meine Freunde
mir sehr nahe standen und wir uns regelmäßig im Geheimen trafen, wurde hinter
unserem harmlosen Zirkel eine illegale und hochgefährliche Organisation vermutet,
die um jeden Preis zerschlagen werden musste. Um diese vermeidliche Bedrohung
unschädlich zu machen, scheuten die dummen Beamten weder Kosten noch Mühen.
Innerhalb kürzester Zeit regnete es förmlich Verhaftungs- und Durchsuchungsbefehle.
Wer denkt, dass der behördliche Weg ein langsamer ist, hat noch niemals
miterlebt, wie Angst und Zorn
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