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Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Titel: Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Vogltanz
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dass es keinen Sinn hatte. Der Magier würde
dichthalten, das hatte er schließlich bereits über Wochen, wenn nicht sogar Monate
hinweg getan.
    Der
Griff um sein Taschenmesser wurde fester, und Taoyama zog die Waffe aus seinem
Mantel. Ihr Gewicht fühlte sich vertraut in seiner Hand an, beruhigend. Mit
einer einzigen, geübten Bewegung ließ Taoyama die Klinge hervorschnappen. Mit
dieser Klinge war es ihm nicht gelungen, Maria vor ihren Entführern zu retten.
Warum gab er Brandt die Schuld an seinem eigenen Versagen? Brandt war es nicht
gewesen, der hilflos zugesehen hatte, wie sie seinen Engel mitgenommen hatten.
    Taoyamas
Blick glitt zum Fenster, wo der Himmel unermüdlich seine Schleusen entleerte.
Von Brandt wusste er, dass dies der Weltuntergang war. Dieser Gedanke erfüllte
ihn mit Gleichgültigkeit. Wozu brauchte er eine Welt, wenn er keine Maria mehr
hatte, mit der er sie teilen konnte?
    Seine
Augen wanderten wieder zurück zu seinem Messer, fixierten es unverwandt. Was
war das? Hörte er da nicht eine leise Stimme, die sanft und verlockend zu ihm
sprach? Die Erlösung von seiner Seelenpein prophezeite? Ja, Taoyama war sich
ganz sicher, dass dieses stete Flüstern an seinem Ohr real war.
    Nimm mich , schien das Messer dem Japaner
zuzuraunen, ich werde dir auch nicht wehtun. Nicht so weh wie das Leben. Es
geht ganz schnell, du wirst nicht lange leiden. Vertrau mir. Ich will dir helfen.
    Ein
schwaches Lächeln breitete sich auf Taoyamas Lippen aus. Er wusste sehr genau,
was gerade in ihm vorging. Doch im Grunde war es ihm egal.
    Er
neigte die Klinge ein wenig, um sie besser betrachten zu können. Silbern
schimmerte das Metall in der Dunkelheit, scheinbar ein Lichtblick in einer
tristen, düsteren Welt, die ihm nichts mehr zu bieten hatte.
    Es geht ganz schnell. Nur ein Schnitt. Ein einziger Schnitt. Dann ist
alles vorbei.
    Taoyama
legte das Messer in den Schoß und vergrub das Gesicht in den Händen. Wieder
sickerten heiße Tränen zwischen seinen Fingern hindurch, sein ganzer Körper
zitterte vor Verzweiflung. Das war nicht er, der diese Dinge dachte. Nicht sein
Wille, dem er folgte. Etwas Fremdes war in ihn gefahren, jene Kreatur, die auch
die anderen hunderttausend Menschen über den gesamten Erdball verstreut ermordet
hatte.
    Er
hob den Kopf, seine Lippen bebten. Wieder tastete er nach dem Messer, konnte
einfach nicht davon lassen.
    »Wer
sagt mir, dass es nicht recht hat?«, fragte er in die Leere seines Zimmers
hinein und fuhr mit dem Zeigefinger die Schneide der Waffe entlang. Ein
einzelner roter Tropfen quoll aus einer kleinen Wunde an seiner Fingerkuppe
hervor und rann an der Klinge hinab. Fasziniert verfolgte Taoyama den Weg
seines Blutes mit den Augen. Er spürte keinen Schmerz. Sein Körper fühlte sich
angenehm taub an, als gehörte er einem anderen.
    »Wer
sagt mir, dass Brandt die Wahrheit sagt?«, murmelte er. »Dass er mich nicht
anlügt. Vielleicht muss es sein, dass Menschen sterben. Vielleicht muss es
sein, dass ich… dass ich gehe«, hauchte er heiser. »Früher oder später. Jetzt
oder mit dem Rest der Welt. Es macht keinen Unterschied.«
    Er
verstärkte den Druck auf die Schneide, der einzelne Blutstropfen wurde zu einem
kleinen Rinnsal, das Rinnsal zu einem unaufhörlichen Strom. Immer noch fühlte
er nichts, obwohl er deutlich sehen konnte, wie die Klinge durch Haut und
Fleisch drang. Er spürte nur Kälte. Und Einsamkeit. Es würde nur Sekunden
dauern. Langsam wanderte er mit der Spitze des Messers weiter nach oben, setzte
sie an sein Handgelenk. Der Japaner schloss die Augen und atmete tief ein. Ein
letztes Mal.
    Plötzlich
ertönte ein energisches Klopfen.
    »Hiroshi?
Hiroshi, bist du da?«
    Taoyama
zuckte überrascht zusammen, und seine Hand rutschte ab. Das Messer entglitt
seinen gefühllosen Fingern und landete in den weichen Laken, wo es sich wie ein
eigenständiges Wesen zwischen die Falten drückte.
    »Hiroshi!
Wenn du nicht die Tür öffnest, breche ich sie auf! Verdammt, Hiroshi!«
    »Ja«,
knurrte Taoyama, während er hektisch nach dem Messer tastete. Endlich hatte er
den Griff gefunden und schloss die Hand darum, um die Waffe rasch in seinem
Mantel verschwinden zu lassen. »Ja, ich bin ja gleich da. Einen Moment.«
    Er
betrachtete das Blut an seinem Finger, das die Laken rot gefärbt hatte. Eine
grausige Erkenntnis erwachte in ihm: Er hätte es getan. Wäre ihm nicht im
letzten Moment der Zufall zu Hilfe gekommen, wäre er nun wohl nicht mehr am
Leben.
    Taoyama
schnaubte

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