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Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Titel: Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Vogltanz
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verschaffen?«
    Kiro ließ sich
nicht von seiner Überzeugung abbringen. »Hansen, ich möchte lieber einmal
wahres Glück erleben und dann mein ganzes restliches Leben in Finsternis versinken,
als mit der Gewissheit zu Grabe getragen zu werden, niemals wirklich gelebt zu
haben. Momente sind flüchtig, und genau diese Vergänglichkeit macht sie so
kostbar.«
    Unvermittelt
musste Hansen grinsen.
    Kiro runzelte
ärgerlich die Stirn. »Was? Warum grinst du so dämlich?«
    »Entschuldige,
aber du klingst wie die weibliche Hauptperson in einer billigen Seifenoper.«
    Kiro
verschränkte die Arme vor der Brust. »Was kann ich denn dafür, dass du das
Feingefühl eines Ochsenfrosches hast?«
    Hansen zuckte
mit den Schultern. »Ich höre immer noch die Seifenoper aus dir sprechen.«
    »Halt einfach
die Klappe«, brummte Kiro.
    Der Arzt tat
so, als wäre er eingeschnappt, in Wahrheit fühlte er sich jedoch erleichtert.
Die beängstigende Kälte war endgültig verschwunden, und in Kiros Augen war
wieder das alte Feuer zurückgekehrt. Es wäre naiv, zu behaupten, dass nun alles
zwischen ihnen geklärt war, aber wenigstens hatte Hansen nicht mehr den
Eindruck, einem lethargischen Krankenhausinsassen gegenüberzusitzen. Das war
zumindest einmal ein Anfang.
    In just diesem
Moment klopfte es laut und kräftig an der Tür.
     
     

Kapitel X
     
    Zum ersten Mal seit langer Zeit
kehrten meine Gedanken zu meinen Eltern zurück. Ich dachte an ein Früher, das
so lange vergangen war, dass es gewiss von Emotionen verklärt, verbessert
worden war, ein idealisiertes Einst, das sich auf Hochglanzfotos in sauberen,
penibel geordneten Alben wiederfand; eine Vergangenheit, in der alle Menschen
lächelten und sich dem Leben mit erwartungsvoller Freude zuwandten. Nun, da
mein Schicksal wie das meiner Familie ungewiss war, flüchtete ich mich in diese
Erinnerungen, packte sie mit aufgeregt zitternden Händen und rief der
Apokalypse vor der Tür ein atemloses, kindlich-naives »Auszeit« zu. Voller
Wehmut dachte ich an meine Eltern zurück, wie sie früher gewesen waren – noch
nicht geschieden, sich und mich liebend, über Fehler lächelnd und kleine Erfolge
bejubelnd. Ich dachte an eine Zeit, als ich tröstend in vier warme Arme
geschlossen worden war, wenn ich mir beim unvorsichtigen Spielen die Knie aufgeschrammt
hatte, an eine Zeit, als eine milde lächelnde Mama mich über das Böse in der
Welt mit selbst gebackener Schokoladentorte hinwegtröstete und Papa, der Fels
in der Brandung, unfehlbar und allwissend, mich unter seine schützenden
Fittiche nahm, sobald etwas mich verunsicherte oder mir gar Angst machte.
    Nichts davon
war wahr, zumindest nicht in dieser Form, dessen war ich mir natürlich bewusst.
Der Groll zwischen meinen Eltern hatte immer unter der Oberfläche geschwelt,
und schon lange vor ihrer Scheidung hatten sie ihre Kämpfe auf meinem Rücken
ausgetragen. Solange ich denken konnte, war im Atem meiner Mutter stets jener
schwache, aber penetrante Hauch von Alkohol gewesen, wegen dem sie mein Vater
schließlich aus dem Haus geworfen hatte, und auch ihn hatte ich niemals anders
kennengelernt als arbeitswütig und eisenhart. Zugegeben, mit den Jahren war es
mit allen beiden zusehends schlimmer geworden – wenn ich zu seltenen Anlässen
meine Mutter in ihrer winzigen, verdreckten Wohnung besucht hatte, hatte mir
der Gestank von Spirituosen und alter Kotze schier den Magen umgedreht. Was
meinen Vater betraf, so war er meist fort, wenn ich morgens aufstand, und kam
erst heim, wenn ich bereits in tiefem Schlummer lag, machte manchmal scheinbar
nur Überstunden, um mir nicht begegnen zu müssen. Sie waren bei Gott nicht
perfekt gewesen, zu keiner Stunde.
    Aber nun, da
ich nicht wusste, ob ich sie jemals wiedersehen würde, wollte ich sie so in
Erinnerung behalten, wie ich sie gerne gehabt hätte – makellos, mich
beschützend und behütend. Es war eine Lüge, aber eine schöne.
    Nur Gutes
über die Toten , durchzuckte es mich, und brennende Nässe trat in meine
Augen.
    Sie sind
noch nicht tot , gab ich diesem unvorsichtigen Gedanken zurück, sie leben
noch, und eines Tages werde ich sie wiedersehen.
    Daraufhin
erfüllte meinen Kopf ein düsteres, vielsagendes Schweigen. Ich konnte mir nicht
einmal selbst eine glaubwürdige Antwort darauf geben, ohne dieses locker
gebaute Fantasiegebilde in sich zusammenstürzen zu lassen.
    »Du wirkst
nachdenklich.« Andreas´ Stimme hallte unheilvoll in dem düsteren Kellergewölbe
wider, durch das

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