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Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Titel: Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Vogltanz
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wir uns bereits seit einer halben Ewigkeit zu bewegen
schienen.
    »Ich denke an
meine Familie.« Warum hatte ich das gesagt? Andreas würde es nicht begreifen,
er würde meine kostbaren, reinen Erinnerungen beschmutzen, Schmerz und
Bitterkeit in mich pflanzen.
    »Du vermisst
sie?« Aus Andreas´ Stimme war nicht herauszuhören, was er über mein
beharrliches Festhalten an familiären und freundschaftlichen Banden hielt.
    »Ja.«
    »Weil du sie
verloren hast. Wir weinen immer um das, was wir nicht mehr haben können.«
    Ich schüttelte
bestimmt den Kopf wie ein störrisches Kind. »Noch ist nichts verloren.«
    Ein dünnes,
wissendes Lächeln umspielte Andreas´ Lippen, und das reichte aus, um alles, was
in mir an zuversichtlichen Gedanken gewesen war, mit einem Schlag zu
zerschmettern. Ich senkte den Kopf, atmete die schale, feuchte Luft tief in die
Lungen. Wieder brannten meine Augen, heftiger diesmal.
    »Sie waren nur
deine biologischen Eltern, Laura, niemals deine geistigen«, sagte Andreas,
nachdem er mich eine Weile forschend betrachtet hatte. »Keine magischen
Fähigkeiten, blind für alles, was sich jenseits des Tellerrandes befindet –
diese Menschen hatten nur ihre Gene mit dir gemein. Kaum vorstellbar, dass aus
einem so unansehnlichen Misthaufen eine solch herrliche Rose wie du erwachsen
ist.«
    »Sei still«,
zischte ich. »Ich dulde es nicht, dass du so über sie sprichst. Du kanntest sie
doch gar nicht.«
    Andreas´ Augen
funkelten vielsagend, was mir als Antwort ausreichte. Natürlich hatte er sie
gekannt. Seine Augen waren schließlich überall; Mike hatte mich über Wochen
beobachtet, und er war wohl nicht der Einzige gewesen.
    »Sie sind immer
noch meine Eltern«, murmelte ich. »Niemand ist perfekt. Und nun, da alles am
Abgrund steht, wünschte ich … ich wünschte, ich wäre etwas verständnisvoller
gewesen. Sie haben mich großgezogen, und sie haben mich geliebt, und das macht
sie über jeden Zweifel erhaben. Aber das verstehst du natürlich nicht – du hast
deinen Sohn abgewiesen. In meinen Augen«, ich atmete tief ein, holte Luft für
die Frechheit, die ich dem mächtigsten Magier der Welt nun entgegenschleudern
würde, »bist du schwächer als sie.«
    Zorn
verdunkelte Andreas´ Gesicht, eine brennende Wut, die ich selten in seinem
sonst so beherrschten, kühlen Antlitz gesehen hatte. Seine Rechte ballte sich
zur Faust, und ein kalter Windhauch, der aus dem Nichts zu kommen schien,
fauchte durch den unterirdischen Gang und ließ unsere Haare flattern. Für einen
winzigen Augenblick sprühten rote Funken aus seinen Händen.
    Aber der Moment
verging ebenso schnell, wie er gekommen war. Andreas entspannte sich, der Wind erstarb,
die Funken verschwanden. Ein kaltes Lächeln legte sich um seine Mundwinkel.
    »Dummes
Mädchen«, sagte er bloß.
    Trotzdem wusste
ich, dass ich ihn tief getroffen hatte, auf einer Ebene, auf der er nicht mehr
mit einem Schlag gerechnet hatte. Das verschaffte mir eine unglaubliche Befriedigung.
    »Was ist das
hier?«, fragte ich, nachdem wir eine Weile schweigend nebeneinander hergegangen
waren.
    »Der Keller«,
gab Andreas lakonisch zurück. Offensichtlich grämte er sich immer noch, auch
wenn er es nicht offen zeigen wollte.
    »Und wohin
gehen wir?«
    »Tiefer
hinunter.«
    Ich verstummte,
da es keinen Sinn machte, den Magier nun in ein Gespräch zu verwickeln.
Stattdessen ließ ich meine Blicke zum wiederholten Mal über meine Umgebung
wandern. Abgesehen von der spürbaren Feuchtigkeit hier unten
unterschieden sich die Gänge, in denen wir uns nun vorwärtsbewegten, kaum von
ihren Geschwistern oberhalb der Erde, und genau wie diese waren sie scheinbar
endlos. Dass wir auf unserer Wanderung keinem einzigen Tier, nicht einmal einer
verirrten Spinne oder einer halb verhungerten Kellerassel begegneten, verwunderte
mich, und es schürte die Nervosität in mir. Obwohl ich den Schimmel, der das
rissige Mauerwerk schon vor Jahrzehnten in Besitz genommen hatte, deutlich
riechen konnte, war er nirgendwo zu sehen. Die blanken, vom Ruß der Fackeln
schwarz gefärbten Wände, die mich umgaben, waren so sauber, als hätte man sie
gerade erst vor wenigen Minuten aus dem Felsen gehauen und anschließend
sorgfältig mit Schleifpapier bearbeitet. Mein erster Eindruck wurde zur
Gewissheit: Dieses Gewölbe war absolut bar jeden Lebens.
    Schließlich,
nach Stunden, wie mir schien, erreichten wir einen gemauerten Durchgang. Er
musste wohl einst von einer Tür verschlossen gewesen sein,

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