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Luna, Seelengefährtin - mein Hund, das Leben und der Sinn des Seins

Luna, Seelengefährtin - mein Hund, das Leben und der Sinn des Seins

Titel: Luna, Seelengefährtin - mein Hund, das Leben und der Sinn des Seins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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Obwohl …«, er zögert. »Ohne dich würde ich keinen halten. Ich kann den Hund ja nicht immer mitnehmen, so wie du. Der Schriftstellerinnenberuf ist prädestiniert für die Hundehaltung.«
    Wir schweigen. Wir haben ein schlechtes Gewissen, vor Luna über ihre Nachfolgerin zu sprechen. Vielleicht sollte es besser ein Nachfolger sein, damit wir sie nicht ständig vergleichen?
    Isa lag am Freitagmorgen tot in ihrem Korb. Bis Freitagabend hatte Helmut in Erfahrung gebracht, dass es einen Züchter auf Rügen gab, der noch einen letzten Welpen aus einem Wurf zu vergeben hatte. Es musste Isas Rasse sein. Freitagnacht brach Helmut in Starnberg auf und erreichte Rügen Samstagnacht. Sonntagmorgen klingelte er beim Züch ter, kaufte Isas Nachfolgerin und machte sich auf den Heimweg. Wir trafen uns am Dienstag, und Helmut klagte mir sein Leid: »Die hört einfach nicht. Ich rufe: ›Lisa, hier!‹, rufe ich, also genau so wie bei Isa, aber sie kommt nicht.«
    Fassungslos starrte ich ihn an. »Aber die weiß doch noch nicht mal, wie sie heißt!«
    »Die Isa hat das gewusst!«
    Am liebsten hätte ich den Hund vor ihm beschützt, der nicht er selbst sein durfte, sondern in das große Fell seiner Vorgängerin passen musste, mit der Helmut vierzehn Jahre lang zusammengewachsen war. Da merkte ich, wie traurig Helmut war. Er trauerte ganz schrecklich um Isa und hoffte, der neue Hund könnte ihm helfen, aber eigentlich machte er alles nur noch schlimmer, weil er ihn ständig daran erinnerte, dass er eben nicht Isa war.
    Ich versuchte, mich in Helmut hineinzuversetzen, um die richtigen Worte zu finden, damit er dem kleinen Hund gestattete, ein Welpe zu sein. Ich erzählte dem Metzgermeister Helmut, wie es Isa im Hundehimmel erging, wie sie liebevoll auf ihn hinunterschaute und sich freute, dass er jetzt die kleine Lisa an seiner Seite hatte. Dass sie und er nun quasi die Eltern von der kleinen Lisa wären und Geduld mit ihr haben müssten. Denn die Lisa, das sei keine Isa. »Sie ist ein kleiner Welpe, der das Recht hat, so behandelt zu werden«. Helmuts Augen glänzten feucht, und irgendwann rieb er sich grob über die Backe. Beim Abschied schlug er mir so fest auf die Schulter, dass ich zu Hause vor dem Spiegel kontrollierte, ob ich einen blauen Fleck hatte. Am nächsten Tag bekam ich ein riesengroßes Paket aus seiner Metzgerei geliefert, Johannes und ich aßen wochenlang an den Würsten, zu Lunas Empörung, da wir nicht mit ihr teilten – wer hatte mir wohl die schöne Geschichte mit dem Hundehimmel geflüstert?
    »Also ich finde, zwischen zwei Hunden muss Zeit verstreichen«, sagt Johannes.
    Ich nicke.
    »Eigentlich kann ich mir keinen anderen Hund vorstellen außer Luna.«
    »Ich auch nicht«, gestehe ich. Aber ich weiß es nicht sicher. Rund um den Tod ist überhaupt nichts sicher, und der Tod eines Familienmitgliedes reißt das Leben aus seiner Verankerung.
    Meine Freundin Liane hatte sich einen Tag nach dem Tod ihrer Bordeauxdogge Billie einen Hund aus dem Tierheim geholt. »Nicht um seinen Tod zu verdrängen, sondern weil ich wusste, dass ich den Schmerz ohne Ablenkung nicht aus halten würde.«
    »Und? Hat es geklappt?«, fragte ich, was ich nicht glauben konnte.
    Denn die Trauer, die holt einen immer ein, manchmal so spät, dass man die Symptome nicht zuordnen kann.
    »Ich habe gleichzeitig um Billie getrauert und mich über Sascha gefreut. Ich brauchte ein Gegengewicht, sonst wäre ich völlig aus der Balance geraten. Bis heute ist mir Billie unvergessen. Und irgendwie ist er noch immer da. Manchmal kann ich ihn sogar spüren.«
    Liane führt einen Handwerksbetrieb mit mehreren Angestellten. Ich hatte sie bislang stets als praktisch denkende Frau wahrgenommen, die auch ihr Seelenleben dem Zollstock unterwirft. Wofür es keine Maßeinheit gibt, das existiert nicht. Doch viele Menschen zeigen sich neben ihren Hunden von ihrer Zuckerseite, oft locken Tiere die besseren Menschen in uns hervor.
    »Man hätte bei Billie als letzte Möglichkeit eine Chemotherapie versuchen können. Allerdings hätte er nicht mehr richtig fressen können, es war ja der gesamte Unterkiefer betroffen. Ich fragte ihn, nein, fragen ist das falsche Wort: Ich habe versucht, mit ihm einig zu werden. Denn alles, was ich beschließen würde, betraf ja ihn. Er würde die Chemotherapie aushalten müssen – oder eben sterben. Ich entschied, dass es besser war, meine Aufmerksamkeit und mein Geld in ein anderes Tier zu investieren, das bessere Perspektiven

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