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Luna, Seelengefährtin - mein Hund, das Leben und der Sinn des Seins

Luna, Seelengefährtin - mein Hund, das Leben und der Sinn des Seins

Titel: Luna, Seelengefährtin - mein Hund, das Leben und der Sinn des Seins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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zu begrüßen, bei vollem Einsatz ihres Schlabberlappens.
    Wir wünschen der kroatischen Dame mit Händen und Füßen viel Freude mit dem kleinen Wesen, sie bedankt sich und wünscht uns mit Luna auch etwas, was wir nicht verstehen – Gesundheit vielleicht? Man sieht Luna den weisen Hund nun deutlich an, ihre Schnauze ist in den letzten Wochen schneeweiß geworden.
    Auf der Fahrt zu unserem Ferienhäuschen erinnern wir uns heiter an Lunas Welpenzeit. Es tut gar nicht weh. Wir sprechen nicht über sie, wie man über Sterbende spricht, als wolle man ihnen und sich selbst mit der Beschwörung schöner Zeiten Brote für den bevorstehenden Abschied schmieren. Wir erinnern uns fröhlich, nur hin und wieder sticht es ein bisschen, aber das könnte auch vom Lachen kommen, weil uns so viel Lustiges einfällt. Weißt du noch, die Wiener Würstchen an der Schnur? Obwohl wir nicht vergessen haben, wie anstrengend die erste Zeit als Hundehalter war.
    »So was würden wir heute gar nicht mehr schaffen«, entfährt es mir. Johannes überhört den Satz. Ich sage schnell etwas anderes. Der Satz ist derweil von einem Fließbandroboter aussortiert worden und liegt in einem blechernen Behältnis. Einer von den Weißkitteln aus der oberen Etage der psychoanalytischen Fakultät wird ihn später untersuchen.
    Johannes und ich versichern uns gegenseitig, wie gut wir es haben mit einem älteren Hund. Wir stellen fest, dass man das Leben mit einem jungen und einem älteren Hund gar nicht vergleichen kann. In allem, was wir sagen, schwingt tastend eine Frage mit: Was meinst du? Wenn Luna nicht mehr wäre … Würden wir dann wieder einen Hund haben. Oder lieber nicht? Weil es zu wehtäte oder im Moment zu zeitaufwändig wäre, ihn einzugewöhnen. Aber wenn wir doch wieder einen Hund hätten … wann?
    »Meine Eltern hatten einen Bekannten«, erzähle ich Johannes, »den Herrn Krause. Der hat sich so vorgestellt: Angenehm, Krause, einer der Größten.«
    Johannes schaut mich neugierig an. Er kennt mich lange genug, um zu wissen, dass jetzt keine Themaverfehlung folgt.
    »Der Herr Krause hatte immer einen Hund«, fahre ich fort. »Kaum war einer tot, hat er sich den nächsten geholt. Ich glaube, sie hießen sogar alle gleich, da brauchte er sich nicht umzugewöhnen. Einmal trafen wir Herrn Krause mit seinem neuen Hund. Der alte war am Vorabend gestorben. Ich fand das irgendwie … seltsam.«
    Johannes nickt »So etwas kann ich mir überhaupt nicht vorstellen.«
    Ich höre, dass er sich etwas anderes vorstellen kann, will es aber nicht ansprechen.
    »Für mich wäre das auch nichts«, stimme ich zu. Ich weiß allerdings, dass jeder Mensch anders trauert und es niemandem zusteht, darüber zu urteilen.
    Am Tag nach dem Tod Leanders wollte ich mit zwei Freundinnen dieselbe Radtour unternehmen, die ich mit ihm an unserem letzten gemeinsamen Sonntag gefahren war. In der ersten Zeit nach seinem Tod wollte ich ständig Dinge tun, die ich mit ihm getan hatte, so als würde ich ihn dabei finden, als würde er irgendwo hinter einem Baum auf mich warten, so als hätte er sich nur versteckt.
    Es war ein hochsommerlicher Frühlingstag, und ich trug ein ärmelloses buntes Kleid. Schwarz zu tragen wäre mir niemals in den Sinn gekommen. Leander liebte meine bunten luftigen Sommerkleider. Sollte er mir von irgendwo zusehen, würde ihm das die Eingewöhnung in seiner neuen Umge bung erleichtern. Er sollte erkennen, dass ich zurechtkam. Ich würde es ihm nicht noch schwerer machen, sollte es schwer für ihn sein, wo es für mich doch schon schwer genug war, was er wusste, weil er ja in mich hineinsehen konnte.
    Aufgewachsen in einer Großstadt, kam es mir in der Klein stadt, in der ich mit Leander lebte, selten in den Sinn, an die Nachbarn zu denken. Ich neige prinzipiell nicht dazu, mir Gedanken darüber zu machen, was andere über mich denken; was nicht immer von Vorteil ist. Denn wenn man glaubt, alle anderen denken, was man selbst denkt, täuscht man sich: Es wurde mir zugetragen, dass ich wohl nicht besonders um Leander trauerte, wie man an meiner bunten Kleidung ablesen könne.
    »Dieser Welpe geht mir nicht aus dem Kopf«, gesteht Johannes mir nach dem Abendessen, als wir im Garten sitzen.
    »Ja, der war wirklich goldig«, erwidere ich lächelnd. Dass man bei so einem Welpen sofort lächeln muss.
    Wir schauen zu Luna, die satt und zufrieden im Gras liegt.
    »Also ohne Hund …«, beginnt Johannes.
    Ich beuge mich vor.
    »Das kann ich mir nicht vorstellen.

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