Luna, Seelengefährtin - mein Hund, das Leben und der Sinn des Seins
hatte als Billie. Es gibt genug notleidende Hunde auf der Welt. Billie verließ seinen Platz bei mir zugunsten eines anderen Hundes. Sascha war erst wenige Tage zuvor aus einer ungarischen Tötungsstation im Tierheim angekommen. Eigentlich wollten sie ihn noch gar nicht vermitteln. Ich bettelte lang, bis sie eine Ausnahme machten.«
»Man weiß nicht, was das dann für ein Hund ist«, sagt Johannes. »Eine Luna gibt es nur einmal.«
Ich stehe vom Tisch auf, gehe zu Luna und knuddle sie. Grunzend lässt sie es sich gefallen, kippt auf die Seite, drückt mir ihren Kopf in die Hand, als wäre sie eine Katze. Ohrenkraulen mag sie besonders gern.
»Vielleicht hätten wir aber auch mit einem anderen Hund großes Glück?«, fragt Johannes mich. »Als Chefs haben wir da schließlich ein Wort mitzusprechen. Wie sagte unsere einzigartige Frau Bärmann seinerzeit?«
»Konsequenz ist das A und O«, erwidere ich wie aus der Pistole geschossen.
Eine hauptberufliche Hundesitterin erklärte mir einmal: »Das Schöne an Hunden ist es, dass sie so schnell zu ersetzen sind. Wenn dir einer wegläuft, holst du dir einen anderen. Mit Männern ist es schwieriger. Die kriegst du nicht im Tierheim.«
Empört wies ich den Vergleich zurück. Hunde sind nicht austauschbar! Zumindest Luna. Die Art, wie sie mich morgens begrüßt, ihr Brummen, wann immer sie sich in ihren Korb legt, ihre mutigen Sprünge ins Wasser …
Doch viele ihrer Eigenheiten hatte ich auch bei anderen Hunden bemerkt und von anderen Hundehaltern gehört. Das ist halt ein Labrador. Die sind so. Typisch Labbi.
Es gibt auch typisch Mann, typisch Frau: Johannes und ich haben Angewohnheiten, die wir sicher mit Millionen von Menschen teilen. Wir sind nicht nur einzigartig, wir sind auch allgemein, wie sehr, das können wir nicht dokumentieren, solange es unmöglich ist, hoffentlich für immer, Gedanken sichtbar zu machen. Der Blick der Liebe freut sich am Einzigartigen, und es ist auch der Blick der Liebe, der dabei helfen kann, das Einzigartige bei Fremden, das Gemeinsame bei Feinden zu erkennen.
»Ich kann mir jedenfalls keinen anderen Hund vorstellen als einen Labrador«, sagt Johannes. »Ein Labrador passt perfekt zu uns. Stell dir vor, wir hätten einen wasserscheuen Hund! Nein, das geht gar nicht! Wobei mir wohler wäre, ein Tier in Not zu retten, als eines vom Züchter zu kaufen.«
»Angeblich sucht sich der Hund seine Halter aus«, erinnere ich mich an die Behauptung einer Bekannten aus der Prä-Luna-Zeit.
»Aber schwimmen muss er schon«, beharrt Johannes.
»Man wünscht sich einen Labradorwelpen und landet bei einem älteren Dackel«, grinse ich.
»Wo die Liebe hinfällt«, sagt Johannes und küsst mich.
»Also ein älterer Dackel bin ich nicht!«, widerspreche ich.
Wir lachen so sehr, dass Luna schwanzwedelnd zu uns läuft. Sie mag es, wenn wir lachen, und will teilhaben an unse rer Freude. Auf einmal kommt es mir so vor, als würden wir dadurch, dass wir über ihre Nachfolge gesprochen haben, daran glauben, dass sie noch lange bei uns bleibt.
Hunde mit Migrationshintergrund
J eden Tag fahren wir an einem eingezäunten Grundstück mit einer Gartenlaube vorbei, in dem ein Schäferhund vor dem Tor sitzt. Johannes ist mit dem VW -Bus und seinen Surfbrettern bereits am Meer, ich spaziere mit Luna hinterher und sehe zu spät: Das Tor ist offen, der Schäferhund stürmt heraus. Panik! Der macht Hackfleisch aus meiner Luna! Und dann stirbt sie nicht an einem Milztumor, sondern an Bissver letzungen.
Als Frauli benehme ich mich genauso wie früher als Frau. Mit hoher Stimme signalisiere ich Friedfertigkeit und versuche, die Situation zu deeskalieren. Ich zwitschere: »Hallo, hallo, wer bist denn du?«, um den Schäferhund zu besänftigen. Und um Luna zu zeigen, dass alles okay ist. Als würde sie nicht hinter meine Stimme hören. Als könnte ich ihr irgendetwas vormachen. Der Schreck lässt mich völlig falsch reagieren. Deeskalation wird nicht durch Unterwer fung und Schönwettermachen erreicht, sondern durch Grenzensetzen.
An der Körpersprache des Hundes erkenne ich, dass er nicht aggressiv, sondern neugierig ist. Ich halte ihn für jung, vielleicht ein oder zwei Jahre alt, er läuft mit leicht abgewandtem Kopf schüchtern auf Luna zu. An seiner linken Seite fehlt Fell. Ich kombiniere Vernachlässigung. Der arme Kerl hockt Tag und Nacht allein auf diesem Grundstück und starrt durch die Gitterstäbe des Tores. Heute sehe ich zum ersten Mal ein Auto auf dem
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