Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster
seine Lippen spitzten.
»Mein Papa froh?«, fragte sie und sah ihm tief in die Augen.
»Ja, dein Papa ist froh«, sagte er und wurde einen Augenblick lang von einem Glücksgefühl erfüllt, weil er so eine wunderbare Tochter hatte. »Dein Papa hat dich sehr lieb«, sagte er dann, küsste sie auf den Mund und nahm sie auf den Arm. »Wo ist deine Tasche?«
Sie deutete in die Ecke. Dort hing ihr Rucksack, und er half ihr, ihn vom Haken zu nehmen. Dann gingen sie zum Auto. Er setzte seine Tochter auf den Kindersitz und schnallte sie an. Sie saß mit dem Rücken zur Fahrtrichtung.
Er hielt beim ICA am Humleplan, um Milch und Brot mitzunehmen, hob Klara aus dem Kindersitz und ließ sie selbst in den Laden gehen, während er ihr die Tür aufhielt. Sie war müde, aber er musste sie jetzt wach halten, damit sie zu einer vernünftigen Zeit ins Bett kam und schlief.
Klara half ihm, die Milch in den Einkaufswagen zu legen. Die Milch war schwer, und sie stöhnte vor Anstrengung. Aber ihr gefielen solche Aufgaben. Sie strahlte, wenn sie mithelfen durfte. Es machte ihr Spaß. Einstweilen jedenfalls. Er fragte sich, wann ihr diese Alltagsaufgaben wohl langweilig werden würden.
Als sie an die Kasse kamen, wurde er förmlich von Schlagzeilen bombardiert. Rasch sah er sich um, als wolle er sich vergewissern, dass ihn niemand damit in Verbindung brachte. Aber niemand schien sich um ihn oder um die Zeitungen zu kümmern. Wahrscheinlich leide ich langsam an Paranoia, dachte er.
»ÄRZTIN VERURSACHT IN OSKARSHAMN TOD EINER PATIENTIN«, stand in der einen Zeitung. In der anderen stand im Prinzip das Gleiche: »ÄRZTIN SCHULD AM TOD VON PA-TIENTIN«.
Aus »Ärztin verursacht Tod« kann, wenn man nicht aufpasst, recht leicht »Ärztin tötete« werden, dachte er.
Veronika ist bereits abgestempelt, dachte er. Ohne Ermittlung und ohne Strafverfahren. Aber sie würden der Wahrheit auf den Grund gehen! Die polizeiliche Ermittlung musste endlich vorankommen. Sie mussten endlich eine Spur finden, die zum Täter führte.
Er wollte Louise dazu überreden, ihm auch noch die restlichen Fakten des Falles anzuvertrauen. Dann würde er sich selbst damit beschäftigen.
Irgendwo musste der Hund begraben sein. Das war immer so. Ihm schauderte bei dem Gedanken, wie die Journalisten über Veronika herfallen würden. In einer Kleinstadt wie dieser konnte das schonungslos und schmerzhaft werden.
Klara sah zu ihm auf, lächelte ihn an, und er erwiderte ihr Lächeln.
Nachdem er bezahlt und mit Klara den Supermarkt verlassen hatte, verstaute er die Tüte und Klara rasch im Auto, setzte zurück und fuhr dann langsam Richtung Kolberga. Er bog in ihre eigene, schmale Straße ein und kam an Häusern vorbei, deren Küchen und Zimmer gemütlich erleuchtet waren. In den Gärten war es stockdunkel, und kahle Äste zeichneten sich vor den Fenstern ab. Der Tag war grau und diesig gewesen, die Luftfeuchtigkeit hoch, aber mit aufkommendem Wind war der Himmel klarer geworden.
Er bog in die Auffahrt und parkte vor der Doppelgarage, deren Tore schief in den Angeln hingen. Das Gebäude war baufällig, erfüllte jedoch seinen Zweck, und er hatte nicht die Absicht es abzureißen. Eigentlich war für das Auto nie Platz gewesen, aber er hatte sich vorgenommen, die Garage zu entrümpeln, damit in diesem kalten Winter nicht wieder die Scheiben vereisten. Die Zeit verstrich rasend schnell. Bereits in vier Wochen war Advent. Am Wochenende, dachte er. Am Wochenende mache ich es endlich.
Die Außenbeleuchtung brannte nicht, und im Vorgarten war es dunkel. Als er Klara aus dem Auto gehoben hatte, bemerkte er, dass sich auf dem Grundstück etwas bewegte. Klara hüpfte singend zur Haustür. Sie hatte keine Angst vor der Dunkelheit.
Da tauchte wie aus dem Nichts eine Gestalt auf.
»Hallo, meine Kleine«, hörte Claes eine Frauenstimme. »Wohnst du hier?«
Sie beugte sich zu Klara hinunter. Claesson raste auf sie zu. Was zum Teufel!
»Wer sind Sie?«, brüllte er und baute sich breitbeinig vor der Frau auf.
In diesem Augenblick blendete ihn ein Blitzlicht. Es war also noch jemand da! Worum zum Teufel ging es eigentlich?
»Ich hätte gerne mit Veronika Lundborg gesprochen«, sagte die Frau. Sie war klein und für das Wetter passend gekleidet, ein großer Parka und eine Mütze, die sie sich tief in die Stirn gezogen hatte.
»Sie ist nicht zu Hause. Was wollen Sie?«
»Wir wollen mit ihr reden, und zwar bezugnehmend auf den Todesfall, den sie verursacht haben soll«, sagte
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