Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster
sie in einem Ton, als sei von nichts Schlimmerem die Rede als von einer entlaufenen Katze.
Er nahm Klara auf den Arm, zwang sich zu schlucken, um dieser Person nicht ins Gesicht zu spucken.
Sie musste hier herumgeschnüffelt haben. Wahrscheinlich hatte sie sich die Nase ihres einfältigen Gesichts an den Fenstern plattgedrückt!
»Seien Sie so freundlich und verlassen Sie sofort mein Grundstück«, sagte er mit unterdrückter Wut.
»Unsere Leser hätten gerne eine Stellungnahme von ihr selbst. Vielleicht hat sie etwas zu ihrer Verteidigung vorzubringen. Bereut sie es?«
»Seien Sie so gut und verlassen Sie sofort mein Grundstück«, wiederholte er. Er brüllte zwar nicht, aber die Wirkung war dieselbe.
»Aber wir wollen ihr doch nur die Möglichkeit einräumen, selbst eine Erklärung abzugeben«, verteidigte sich die Frau. »Sonst müssen wir …«
»Was müssen Sie sonst?«
Jetzt platzte ihm wirklich der Kragen.
»Was müssen Sie? Beantworten Sie meine Frage!«
»Wir müssen versuchen, trotzdem darüber zu schreiben.«
»Sie meinen wohl, dass Sie etwas erfinden müssen? Ist es Ihnen noch nie in den Sinn gekommen, dass es auch die Möglichkeit gibt, gar nichts zu schreiben? Sie können es auch bleiben lassen, Artikel aus Unwahrheiten zusammenzufantasieren und sich derart aufzudrängen.«
»Ich möchte nur ihre eigene Version hören«, beharrte die Journalistin. »Ich würde ihr gerne die faire Option einräumen, sich zu verteidigen.«
»Verschwinden Sie!«
Er hob den Arm und deutete Richtung Straße.
Einen Augenblick lang verharrten sie und starrten sich an, Claesson, der Fotograf und die Journalistin, dann trotteten die beiden langsam davon. Claes schloss die Haustür auf, während er sie im Auge behielt. Sie gingen zu einem geparkten Auto.
Er stellte die Tüte in die Diele und wählte Veronikas Nummer und hoffte, dass sie ihr Mobiltelefon eingeschaltet hatte.
In der Küche machte er kein Licht. Er stellte sich ans Fenster und sah hinaus. Das Auto stand immer noch da.
Veronika antwortete endlich.
»Wo bist du?«
»Wieso? Ich bin auf dem Heimweg, ich habe Gegenwind. Gleich bin ich am Hafen … Ich habe einen furchtbaren Tag hinter mir.«
»Hör jetzt genau zu! Zwei Idioten sitzen bei uns vor dem Haus. Eine Journalistin und ein Fotograf. Ich rufe Crantzens an. Vielleicht sind die zu Hause. Spielt aber auch keine Rolle. Ich warne sie vor, dass du über ihr Grundstück und hinter ihrem Haus vorbeigehst. Stell dein Fahrrad hinters Haus und kriech durch die Hecke. Ich mache dir dann die Hintertür auf.«
»Okay.«
»Verstanden?«
»Ja, verstanden.«
Er wählte die Nummer der Nachbarn. Der Mann ging an den Apparat.
»Kein Problem«, meinte Gruntzén. »Überhaupt kein Problem, dann wissen wir, was los ist … Sie können anschließend erzählen, wie es gelaufen ist. Sie können Veronika sagen, dass wir uns bereit halten, falls sie zu uns ins Haus flüchten muss.«
»Vielen Dank«, sagte Claesson. »Gute Idee. Es ist immer gut, wenn man noch einen zweiten Ausweg hat.«
Dann rief er Veronika ein weiteres Mal an.
Veronika trotzte dem Gegenwind. Sie hatte sich darauf gefreut, zu Hause aufs Sofa fallen und sich über die Widrigkeiten des Lebens beklagen zu können.
Jetzt packte sie eine neue, kältere und unberechenbarere Angst. Das Gefühl, vollkommen die Kontrolle verloren zu haben, ergriff ganz von ihr Besitz.
Erst die Anzeige, dann die versteinerte Miene Harald Erikssons und jetzt das!
Die Treibjagd hatte begonnen. Das Wild floh, suchte nach Verstecken.
Die aufreibende Geschichte, auf die sie schon lange keinen Einfluss mehr hatte, lieferte ihr neue Energie.
Sie trat mit ganzer Kraft in die Pedale, das machte ihr alles etwas leichter. So schnell sie konnte, radelte sie heimwärts, obwohl ihr Haus von der Pressemeute belagert wurde. Sie stellte sich die dunklen Gestalten vor, die durch die Büsche schlichen. Das Journalistenpack machte sich wie Maden über den Kadaver her. Nun galt es, die Fassung zu bewahren und sich selbst nicht zu verlieren.
Sie packte den Lenker fester und dachte an Harald Eriksson. Es hatte sie überrascht, ihn plötzlich im Untersuchungszimmer vor sich zu sehen. Ein merkwürdiger Mann, dachte sie.
Andererseits war er auch ein recht gewöhnlicher Mensch. Er wollte es wohl mit eigenen Augen sehen, wie schlecht es Veronika ging. Das war reiner Sadismus. Er wollte seine Überlegenheit spüren.
Während sie sich bemüht hatte, die Fassung zu bewahren, hatte sie ihm
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