Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster
ging ins Wohnzimmer, suchte eines ihrer Lieblingsbücher heraus, legte sich auf den Bauch und begann, die Bilder anzuschauen.
Veronika hängte ihren Mantel auf. Sie ließ die Tüte mit den Einkäufen in der Diele stehen und ging auf die Toilette. Die Türe ließ sie angelehnt, damit sie Klara hören konnte.
Blut im Slip. Eine eiskalte Hand legte sich auf ihr Herz. Da verspürte sie einen dumpfen Schmerz, als hätte sie ihre Tage. Sie sah in die Kloschüssel. Frische Blutstropfen verdünnten sich hellrot.
16
»Wie geht’s«, fragte Louise. Ihre Stimme verriet jedoch nur wenig Mitgefühl.
»Danke der Nachfrage«, erwiderte Claesson. »Wenn das so weitergeht, müssen wir wohl umziehen«, meinte er und verzog den Mund.
»Wie wird Veronika damit fertig?«
Louise klang jetzt freundlicher.
»Recht gut. Sie gehört nicht zu denen, die sich in eine Opferrolle drängen lassen. Ich glaube, sie hat sich vorgenommen, diese Geschichte hinter sich zu lassen.«
»Ist das so schlimm?«
»Nein. Ich übertreibe. Sie will sich davon nicht fertigmachen lassen. Das ist natürlich nicht das einzige Mal, dass diese Sache in den Zeitungen breitgetreten wird … Sie muss einfach eine Art finden, damit umzugehen, das Ganze nicht an sich heranzulassen. Keine Ahnung, wie man das macht. Ich versuche, ihr den Rücken zu stärken, bin aber selbst so verdammt wütend. Das ist vermutlich wenig hilfreich …«
»Für wen?«
»Für das Herz.« Er fasste sich an die Brust. »Und für den Blutdruck. Ich lasse mich vermutlich zu sehr von Veronikas Wut anstecken, statt ruhig und gelassen zu bleiben, wie der Fels in der Brandung, du weißt schon.«
Louise schwieg.
»Veronika hat am meisten zu schaffen gemacht, dass eine Patientin sie gebeten hat, von einer anderen Ärztin behandelt zu werden. Da ist sie dann nach Hause gegangen.«
»Oh!«
»Aber die meisten waren sehr verständnisvoll. Sowohl Patienten als auch Kollegen. Nicht alle Kollegen natürlich, aber das war wenig überraschend, so ist es immer. Man konzentriert sich leider gerne auf die Sauertöpfe und Bösartigen.«
Sie nickte.
»Man hat eben nur ein Leben«, seufzte sie und warf einen düsteren Blick aus dem Fenster. »Du weißt doch, dass ich Krankenschwester war, bevor ich zur Polizei gegangen bin?«
»Das hatte ich vergessen. Und?«
»Mir ist natürlich klar, wie so ein Krankenhaus funktioniert, obwohl es lange her ist, dass ich in einem gearbeitet habe. Genauer gesagt weiß ich, dass gelegentlich unabsichtlich etwas schiefgeht.«
»Das ist wie mit der ersten Liebe«, scherzte Claesson.
Sie starrte ihn an. Sie war es nicht gewohnt, dass er so persönlich wurde.
»Und wie hieß sie?«
»Stina.«
»Stina? Wirklich? Was für ein spießiger Name.«
»Sie sah aber wahnsinnig gut aus.«
»Sieh mal einer an. Man kann also so einen spießigen Namen haben und trotzdem supergut aussehen. Aber daraus wurde dann nichts?«
»Nein. Ich ging nach Stockholm auf die Polizeischule, und währenddessen kam sie mit einem Burschen aus Nässjö zusammen und bekam dann auch recht bald Kinder.«
»So geht es, wenn man sich nicht sputet.«
»Sie wurde dann Krankenschwester. Vermutlich ist sie das immer noch.«
»Einmal Pflege, immer Pflege, heißt es. Ich bin aus der Reihe getanzt, als ich mir was anderes gesucht habe«, sagte Louise, stand auf und stellte sich ans Fenster.
»Ich fand den Krankenpflegesektor furchtbar altmodisch und hierarchisch strukturiert«, fuhr sie fort. »Das war schlimmer als bei uns. Außerdem kam ich mir so eingesperrt vor auf der Station, das war das Schlimmste. Alles sollte möglichst gleichzeitig erledigt werden, und man wurde gestört, egal, was man gerade tat. Ob man eine Infusion vorbereitete, Medikamente holte, sich mit einem Patienten unterhielt … spielte alles keine Rolle. Immer kam etwas dazwischen.«
»Das kann ich mir vorstellen.«
»Man hat immer Angst, etwas falsch zu machen, besonders zu Anfang, weil man weiß, dass das schreckliche Konsequenzen haben kann. Ich war immer vollkommen erledigt, wenn ich nach Hause kam. Vor dem Einschlafen fiel mir noch etwas ein, was ich vergessen zu haben glaubte. Dann stand ich auf, rief auf der Station an und machte mich auf eine Abreibung gefasst … Du meine Güte!«
»Egal, was man macht, es fehlt einem zu Anfang das Selbstvertrauen.«
»Genau. Bei der Polizei … hatten wir zu Anfang auch Angst«, fuhr Louise fort und setzte sich wieder. »Bei manchen Einsätzen macht man sich fast in die Hose. Ganz
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