Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster
gewöhnt man sich nie.«
»Das ist vermutlich auch nicht wünschenswert«, meinte Claes.
»Bist du stolz darauf, bei der Polizei zu sein?«
»Nein. Aber es erfüllt mich doch mit einer gewissen Zufriedenheit, etwas Sinnvolles zu tun. Das gilt auch für Veronika, obwohl sie es im Augenblick nicht sonderlich leicht hat.«
»Wem so etwas nicht nahegeht, für den hab ich auch kein Verständnis.«
»Glaubst du, dass Charlotte Erikssons Tod ein Unfall war?«, wechselte Claesson das Thema. »Ein Betriebsunfall im Krankenhaus?«
»Tja … ich weiß wirklich nicht.«
Sie schaute auf ihre Hände. Die Fingernägel waren lackiert und funkelten wie frisches Eis.
»Seltsamerweise hat der Gerichtspathologe keine einzige plausible Todesursache gefunden. Er hat eine kleine Verletzung an der Zunge entdeckt. Das ist alles. Es wurde die Frage erörtert, ob sie an Epilepsie gestorben sein könnte. Aber warum hätte sie plötzlich an Epilepsie erkranken sollen? Sie hat vorher nie unter Krampfanfällen gelitten. Jedenfalls haben die Gerichtsmediziner daraufhin umfassendere toxikologische Untersuchungen angefordert, aber das scheint auch zu nichts zu führen. Vielleicht entdecken sie ja doch noch irgendein Mittel oder Medikament oder irgendeine andere Ursache.«
»Und wenn sie mit einer Substanz vergiftet wurde, die sich nicht nachweisen lässt?«, meinte Claesson. »Die vom Körper abgebaut wird, ohne Spuren zu hinterlassen?«
»Auch das wurde erwogen. Dann sehen wir …«
»… alt aus.«
Louise fuhr sich mit den Händen durchs Haar. »Es stellt sich zweifellos die Frage, ob zwischen Charlotte Erikssons Verlegung von der Intensivstation und ihrem Tod ein Zusammenhang besteht. Das glaube ich nicht. Aber man muss natürlich darüber nachdenken.«
Sie sahen sich schweigend an. Draußen herrschte eine friedliche Winterdunkelheit, und der Schnee dämpfte den Lärm des Verkehrs.
»Du meinst, ob man sie hätte retten können, wenn sie auf der Intensivstation geblieben wäre?«, fragte er.
Louise zuckte mit den Achseln.
»Dort konnte sie schließlich nicht bis ans Ende ihrer Tage bleiben«, sagte Louise leichthin.
Claesson musste zum ersten Mal seit langem lachen.
»Ich habe heimlich die Vernehmungsprotokolle aus der Klinik gelesen«, sagte er. »Ich weiß, dass ich das nicht darf. Ich gestehe« ,blökte er und fuchtelte mit den Händen.
Louise schwieg.
»Jedenfalls«, fuhr er fort, »bezeugen alle, dass Charlotte Eriksson ziemlich fit war. So fit, wie jemand nur sein konnte, zwei Tage nachdem er eine Kugel in den Bauch bekommen hatte. Sie war ansprechbar, nahm Flüssigkeit zu sich, hatte nur mäßige Schmerzen und keine sonderlich erhöhte Temperatur. Sie war auf dem Wege der Besserung. Wo liegt der Fehler?«
Sie zuckte mit den Achseln.
»Jedenfalls war es nicht Dunåker. Er hat ein Alibi. Er war verreist. Außerdem wirkt er wirklich verzweifelt wegen Charlotte Erikssons Tod. Netter Mann übrigens. Sie kannten sich seit der Kindheit. Vermutlich eine Jugendliebe, die immer noch loderte. Er gefiel mir viel besser als dieser Affe Harald Eriksson.«
Sie zog den Bauch ein und schob den herausgerutschten Pullover in den Hosenbund.
»Die einzige Person, die von Charlotte Erikssons Ableben profitiert, ist jene, die ihren Tod im Augenblick am lautesten beweint«, fuhr sie fort. »Und das sagt alles. Aber wir haben nichts gegen ihn in der Hand.«
»Harald Eriksson?«
Sie nickte.
»Hast du die Anzeige gesehen, die er bei der Beschwerdestelle der Gesundheitsbehörde erstattet hat?«
»Nein, habe ich nicht. Aber daraus wird ohnehin nichts. Zumindest nicht, wenn wir ermitteln. Oder die Staatsanwältin, aber von der habe ich noch keinen Mucks gehört. Vielleicht finden wir ja den Schuldigen.«
»Falls es wirklich einen gibt«, meinte er und erhob sich. Er nahm ein paar zusammengeheftete Blätter vom Bücherregal und gab sie Louise.
»Das ist eine Kopie von Erikssons Anzeige.«
Sie nickte.
»Schau sie dir mal an«, forderte Claesson sie auf.
»Später.«
»Nein, jetzt. Da findet sich vielleicht was.«
Er richtete seine brennende Schreibtischlampe auf den Text und betrachtete Louises Gesicht, während sie langsam die Augen über die Zeilen wandern ließ.
»Du meinst das hier?«, fragte sie schließlich und deutete auf eine Zeile mitten auf der ersten Seite.
»Ja. Dass er regelrecht darum gebettelt habe, sie auf Intensiv zu belassen. Ich finde, das wirkt inszeniert. Ich weiß nicht, warum, aber diese extreme Unruhe und
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