Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster
sein und den Verlauf noch einmal referieren«, sagte Claesson.
Erika hatte sich vorbereitet. Sie richtete sich auf und schob die Papiere zusammen, die vor ihr auf dem Tisch lagen.
»Ein siebzehnjähriger Schüler namens Jakob Hellqvist befand sich nach einem Treffen mit Freunden im Zentrum irgendwann nach Mitternacht auf dem Nachhauseweg. Lena Jönsson hat ihn bereits vor Ort vernommen. Er fuhr die Stengatan in südlicher Richtung hinunter und sah eine Person wie einen Sack daliegen, wie er sich laut Jönssons Bericht ausdrückte. Also am Rand der Stengatan auf der Höhe des Westfriedhofs. Dort befindet sich eine Baustelle«, verdeutlichte Erika Ljung und sah Claesson an.
»Die Straße war ganz leer, und Hellqvist radelte zuerst vorbei, weil er glaubte, es handele sich um einen Betrunkenen.« Erika verdrehte die Augen. »Außerdem habe diese Person irgendwie lallend gestöhnt. Dann bereute er es aber und kehrte um. Da erkannte er, dass es sich um eine fast bewusstlose Frau handelte. Irgendetwas habe seltsam gewirkt. Dann sah er das Blut vorne auf ihrem Pullover. Hier bin ich mir etwas unsicher«, meinte Erika Ljung und hob den Blick von ihren Papieren. »Es steht zwar nicht da, aber es hat den Anschein, als habe die Eriksson, also das Opfer, ihre Jacke offen getragen. Gestern war es schließlich recht warm, und sie ging vielleicht ziemlich schnell.
Wie auch immer«, fuhr sie fort, »Jakob Hellqvist schlug mit seinem Handy Alarm. Er war sich sicher, einen Schuss gehört zu haben, als er auf die Stengatan bog, ohne sich zu diesem Zeitpunkt sonderliche Gedanken darüber zu machen, wie er Lena Jönsson mitteilte. Die Frau wurde ins Krankenhaus Oskarshamn gebracht und dort sofort operiert. Am Tatort fanden sich keine Ausweispapiere. In der Notaufnahme erhielten wir ihre Kleider, aber Brieftasche und Handy fehlten.«
»Um …«, Erika Ljung überflog den Bericht und fuhr dann fort: »Um 2.54 Uhr meldete Harald Eriksson seine Ehefrau vermisst. Er habe wach gelegen, sagte er. Es sei noch nie vorgekommen, dass seine Frau nicht wie angekündigt nach Hause gekommen sei. Er selbst war kurz vor Mitternacht von einer Versammlung des Rotary-Clubs nach Hause gekommen. Das haben wir noch nicht überprüft. Seine Frau hatte sich mit ihren Freundinnen, einer Art Nähkränzchen, getroffen. Für gewöhnlich wurde es bei diesen Gelegenheiten nie sonderlich spät. Sie geht immer zu Fuß nach Hause. Die Ehefrau heißt, wie gesagt, Charlotte Eriksson, ist neununddreißig Jahre alt und Krankengymnastin mit eigener Praxis. Eine Kugel wurde bei der Operation in der Schusswunde gefunden, diese befindet sich bereits im Staatlichen Kriminaltechnischen Labor zur ballistischen Untersuchung. Das war alles.«
Zwei Sekunden lang blieb es still.
»Es handelte sich also um einen einzigen Schuss?«, fragte Janne Lundin.
Erika Ljung schaute wieder in ihre Papiere.
»Ja, hier im Bericht steht, dass der Zeuge nur einen Schuss hörte.«
»Dann muss sich der Täter also in ihrer unmittelbaren Nähe befunden haben«, meinte Lundin. »Sonst hätte er danebentreffen können, wenn sie sich bewegt hätte.«
Claesson nickte.
»Er hat das Herz verfehlt«, sagte Lundin.
»Es war vielleicht gar nicht beabsichtigt, sie zu töten«, erwiderte Erika Ljung.
Claesson zuckte leicht mit den Achseln.
»Wir vernehmen jetzt erst mal die Nachbarn und warten ab, was die Spurensicherung am Tatort findet«, meinte er. »Ich fahre hin und verschaffe mir einen Überblick, wenn alles erledigt ist.«
»Jemand muss auf die falsche Person geschossen haben«, meinte Peter Berg, schien jedoch keinerlei Erwiderungen zu erwarten.
Peter Berg war weniger schwermütig, seit er mit seinem Kollegen aus Kalmar zusammengezogen war. Er war fröhlicher geworden und konzentrierte sich nicht mehr ausschließlich auf seine Karriere, sondern gewährte seiner Persönlichkeit größeren Freiraum. Vielleicht war das auch immer so gewesen, und er hatte es nur weniger gezeigt.
»Ich habe sie überprüft. Uns liegt nichts über sie vor«, fuhr er fort. »Eine ganz normale Krankengymnastin mit einem ganz normalen Leben, verheiratet mit einem ganz normalen Mann.«
»Und sie ist noch am Leben«, meinte Claesson.
»Und kann ihr normales Leben fortsetzen«, sagte Peter Berg.
»Keine Ahnung, wie normal das Leben noch ist, wenn man einmal in die Mündung einer Pistole geblickt hat«, wandte Claesson trocken ein, »die dann auch noch losgegangen ist.«
»Viele sagen aber auch, dass sie nach einer
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