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Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster

Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster

Titel: Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Wahlberg
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Innere des Friedhofs.
    Sie gingen ein kurzes Stück zwischen den Gräbern entlang. Als Claesson das Heidekraut und die schönen Herbstkränze mit ihren leuchtenden Farben, Hagebutten, Vogelbeeren und Kastanien, sah, die an den Grabsteinen lehnten, bekam er ein schlechtes Gewissen. Sie hatten für die Pflege des Familiengrabes bezahlt, und er ging davon aus, dass sich die Friedhofsgärtnerei darum kümmerte. Eigentlich müsste er es gelegentlich aufsuchen und nicht nur an Allerheiligen.
    »Hier«, sagte Grahn und deutete auf einen aufrecht stehenden, allerdings ziemlich niedrigen Grabstein, möglicherweise aus rotem Granit. Der Stein war poliert und hatte roh behauene Seiten. In der oberen rechten Ecke war eine Linnea abgebildet, die bescheidene Blume der Provinz Småland.
    Aber es ging Benny nicht um den Stein zum Andenken der seligen Elsa Ros Gustavsson.
    »Die ist mir vollkommen egal«, meinte er mit einer despektierlichen Handbewegung. »Aber sieh hier. Die sind frisch.«
    Claesson betrachtete eine Reihe Schuhabdrücke, die in der lockeren Erde genau neben dem Grabstein deutlich zu erkennen waren. Im Unterschied zum Nachbargrab, auf dem gerade Begonien verblühten, war hier nichts angepflanzt.
    Die Spuren in der Erde stammten von geriffelten Sohlen.
    »Seltsam, direkt neben dem Stein herumzutrampeln«, meinte Technik-Benny. »Das lässt fast an irgendeine Art Grabschändung denken.«
    Claesson wusste nicht recht, was er sagen sollte. Mit Grabschändern hatte er Mühe. Diese Art von Auflehnung war nicht nur sinnlos, sondern auch feige. Selten handelte es sich um symbolische oder religiöse Motive, sondern in der Regel um reinen Vandalismus.
    Die Gräber lagen unter hohen Kiefern, deren Kronen einen angenehmen Schatten spendeten. Zwischen den Gräbern war Rasen. Nach den außergewöhnlich heißen Tagen und feuchten Nächten der letzten Zeit dampfte der Boden förmlich. Es duftete nach Harz, Erde und außerdem süßlich nach dem eingetopften Heidekraut. Rötliche Begonien standen auf den meisten Gräbern, was einen recht einheitlichen Eindruck erweckte. Sie waren in den letzten warmen Spätsommertagen verhältnismäßig hoch aufgeschossen. Ein paar kirschrote Fleißige Lieschen sah Claesson auch. Eine träge Fliege prallte gegen einen Grabstein, erholte sich nach einer Weile und flog kreisend dem nächsten Ziel entgegen. Claesson fühlte sich an einen langsamen Totentanz erinnert.
    »Wir müssen die Angehörigen fragen, ob sie in letzter Zeit hier waren«, meinte Claesson und betrachtete den Grabstein. »Elsas Nachfahren wollten hier vielleicht irgendwas pflanzen. Wirkt alles recht kümmerlich. Keine Blumen und keine Büsche, fast etwas verwahrlost. Vielleicht wohnen sie aber auch alle weit weg.«
    »Jedenfalls haben sie ihr einen schönen Stein gegönnt«, erwiderte Benny Grahn.
    Claesson war zwar anderer Meinung, sagte aber nichts. Er fand ihn zu protzig. Ihm gefielen unbearbeitete Steine, vorzugsweise Granit, in die einfach nur der Text eingehauen war. Namen, Jahreszahlen, der Rahmen, innerhalb dessen sich die Menschen bewegten. Eventuell noch ein altmodisches Kreuz, aber diese schienen zugunsten anderer Symbole wie Vögel, Blumen, Schiffe, Sonnenuntergänge und sogar einer Schildkröte zu verschwinden.
    Er hatte plötzlich einen Kloß im Hals. Das musste der Grabstein eines Kindes sein. Für ein Kind würde er alles auf einen Grabstein malen lassen. Einen Teddybären oder auch Klaras abgewetzte Maus. Aber beim besten Willen kein Kreuz. Der schwarze Tod, der die Macht ergreift. Das Reich der Schatten.
    Er vertrieb diese Gedanken und sah sich den Text auf dem Grabstein ein weiteres Mal an. Elsa Ros Gustavsson war vor zehn Jahren gestorben. So rasch wurde man vergessen. Ihr Mann hatte vielleicht eine neue Frau gefunden, falls er überhaupt noch am Leben war, und die Kinder lebten ihr eigenes Leben. Niemand hatte Zeit, sich um das Grab zu kümmern.
    Dann konzentrierte er sich erneut auf die Schuhabdrücke.
    »Keine sonderlich großen Füße. Jedenfalls nicht, was die Spuren betrifft, die am deutlichsten zu erkennen sind.«
    »Vielleicht ein leichtes Mädchen«, scherzte Benny Grahn. »Findest du nicht, wir sollten die Spuren mit den Schuhen des Opfers vergleichen?«
    »Klar, das versteht sich«, meinte Claesson. »Erledige das. Vielleicht sind es ja verschiedene Schuhe.«
    Sie verstummten und sahen sich an. Sie dachten dasselbe.
    »Vielleicht findet die Jugend von heute es erregend, auf dem Friedhof rumzumachen«,

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