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Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster

Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster

Titel: Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Wahlberg
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erniedrigen und mit diesem Idioten bis dahin sitzen bleiben?
    »Warum sitzt du eigentlich hier?«, hörte sie ihn sagen, als hätte er ihre Gedanken gelesen.
    »Ich warte auf jemanden.«
    Sie hatte lange darüber nachgedacht, ob sie zum Nachmittagskaffee etwas mitbringen sollte. Glücklicherweise hatte sie es dann doch getan. Sie hatten sich alle so wahnsinnig gefreut, ihre Kolleginnen.
    Sie hatte am Vortag zwei Dinge gefeiert, ihren Geburtstag und ihren letzten Arbeitstag im Pflegeheim Gullregnet. Jetzt ging es Schlag auf Schlag. Eben hatte sie noch in der Rehaklinik gearbeitet, dann im Gullregnet, und am Montag würde sie schon auf der Chirurgie anfangen. Mama hatte es kaum glauben wollen, dass sie bereits einen neuen Job organisiert hatte. Das hatte sie ihr vermutlich nicht zugetraut. Obwohl sie fand, Sara-Ida solle sich eine feste Stelle suchen. Aber ihr machte es nichts aus, zu wechseln, ohne irgendwo hängen zu bleiben, solange sie nur Arbeit hatte.
    Sie warf Jörn einen raschen Blick zu. Wäre er nicht so beschränkt gewesen, dann hätte er ihr glatt gefallen können. Sie schätzte ihn auf höchstens dreißig. Allerdings müsste man ihn neu einkleiden. Sie liebte es, sich Machen-Sie-das-Beste-aus-Ihrem-Typ-Projekte auszudenken. Vielleicht sollte sie Stylistin werden, falls sie es als Model nicht schaffte. Dann könnte sie solchen traurigen Typen wie Jörn helfen, dem es schon auf Abstand anzusehen war, dass er noch bei Mama und Papa außerhalb von Bockara wohnte. Die Kolleginnen im Gullregnet hatten ihr das erzählt.
    Sie hatte erfahren, dass er schon seit Ewigkeiten als Hausmeister arbeitete. Jeden Tag schaute er in ihrer Nachmittagspause bei ihnen im Pflegeheim herein, darauf war Verlass. Er fuhr auf den Hof und parkte das Auto der Gemeinde unter den Birken, dann ging er die Treppen hoch, gab die Kiste mit den Medikamenten im Schwesternzimmer ab und ließ sich die Empfangsbescheinigung von Britta-Stina unterschreiben. Dann nutzte er die Gelegenheit, die Toilette aufzusuchen, um anschließend überrascht festzustellen, dass niemand mehr im Schwesternzimmer war. Also trottete er ins Kaffeezimmer, um Ich-bin-dann-mal-weg zu sagen, wozu auch immer das gut sein sollte. Jedes Mal blieb er dann in der Tür stehen, kratzte sich am Kopf und tat so, als habe er das Gefühl, ungelegen zu kommen. Er wirkte dann immer so hilflos, dass irgendjemand, meist Gertrud oder Johanna, sich seiner erbarmte und ihn bat, Platz zu nehmen.
    Sie hatten ihn schon lange durchschaut, spielten aber trotzdem mit. Alle bemutterten ihn.
    »Willst du noch lange hier sitzen?«, fragte er grinsend.
    »Noch eine Weile.«
    »Du hast doch aufgehört? Ich meine, im Gullregnet?«
    »Allerdings«, erwiderte sie.
    »Was machst du jetzt?«
    »Weiß nicht.«
    Sie wollte ihm ihren neuen Arbeitsplatz nicht verraten, schließlich ging es ihn nichts an.
    »Irgendein Traumjob vielleicht?«, beharrte er.
    Sie biss sich auf die Zunge und überlegte.
    »Das könnte man vielleicht sagen. Ich werde Model«, hörte sie sich plötzlich sagen.
    Nach einer Sekunde der Besinnung stellte sie fest, dass es sich überraschend gut anfühlte. Als wäre sie bereits ein Topmodel und müsste es nicht erst werden. So ein Idiot wie Jörn hatte eh niemanden, dem er es hätte weitererzählen können. Außerdem hörte ihm kein vernünftiger Mensch zu. Nach einer Weile fühlte sie sich mit ihrer halben Lüge also recht wohl.
    »Was für ein Job! Riesenkohle, was?« Seine Augen leuchteten vor Bewunderung.
    »Vielleicht«, erwiderte sie ausweichend und schlug sicherheitshalber bescheiden den Blick nieder.
    Jetzt entdeckte sie endlich Jessan, die sich einen Weg durch die Menge bahnte. Sie hatte rabenschwarzes Haar, das ihr wie immer bis zur Taille über die Lederjacke hing. Die Augen waren schwarz geschminkt, und der gerade Pony reichte ihr weit in die Stirn. Jessan sah kompliziert und mystisch aus. Schon seit der sechsten Klasse lief sie so herum. Immer in schwarzer Lederjacke, auch wenn es vierzig Grad warm war.
    Jessan wedelte mit beiden Armen. Sie hatte sie entdeckt. Eine Menge Silberarmreifen klapperten.
    Sara-Ida war bereits von der Bank aufgesprungen und ging ihr entgegen.
    Jörn, der mit einem stummen Grinsen auf den Lippen dasaß, ließ sie zurück. Sara-Ida umarmte Jessan und strahlte ein solches Glück aus, dass man hätte glauben können, sie hätten sich schon seit Jahren nicht mehr gesehen. Dann strebten sie Arm in Arm dem Lilla Torget entgegen und redeten dabei

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