Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 07 - Tödliche Geschäfte
unten.
»Schläft Klara noch?«, fragte er.
Sie nickte und gähnte ausgiebig.
»Nora auch. Ich habe sie in die Babytragetasche gelegt, damit Klara sie nicht versehentlich aus dem Bett schubst.«
Nora hatte sich verändert. Claes hatte das sofort gesehen. Die Konturen waren deutlicher, klarer definiert. Bei einem Säugling war eine Woche eine lange Zeit. Sie sträubte sich, wenn er sie auf den Arm nahm. Sie hatte sich völlig an den Geruch ihrer Mutter gewöhnt, aber er würde seinen Platz zurückerobern. Würde dafür sorgen, dass sich die Kleine wieder an ihn erinnerte.
Veronika holte tief Luft und starrte noch etwas schlaftrunken auf den Tisch.
»Wirklich schön, dass du wieder zu Hause bist!«, sagte sie dann und schaute zu ihm auf.
Er lächelte. Er fühlte sich wohl.
»Kaffee?«
Sie nickte. Sie trug ein weites T-Shirt mit dem Aufdruck Better Bodies. Er füllte ihre Tasse und goss sich ebenfalls noch eine halbe Tasse ein.
Er betrachtete seine Kaffeetasse, die er immer mit der Hand spülte. Sie stammte von seiner Großmutter aus einem bürgerlichen Heim mit Silberbesteck und handbemaltem Porzellan. Er hatte es fast lächerlich gefunden, dass seine Mutter, als sie noch klar im Kopf gewesen war, ausgerechnet ihm das Kaffeeservice aufgedrängt hatte. Das passt zu einem Kriminalkommissar, hatte sie gesagt. Er wusste immer noch nicht, ob sie das damals ironisch gemeint hatte oder nicht. Seine Geschwister waren damals nicht interessiert gewesen, er hatte den Karton also mitgenommen und die dünnen Tassen und Untertassen in seine Junggesellenwohnung gestellt. Das Service war von einer renommierten schwedischen Porzellanfabrik hergestellt worden und repräsentierte eine ganze Epoche. Zu diesem Service gehörten eigentlich eine Tischdecke mit Spitze, sieben verschiedene Plätzchensorten und eine Sahnetorte auf einer Tortenplatte aus Pressglas mit Fuß.
Es war kurz vor elf, das heißt es war an der Zeit.
Claesson verabscheute die Besuche bei seiner Mutter eigentlich. Abscheu war ein so starkes und auch unpassendes Wort, dass es ihm nie über die Lippen gekommen wäre. Selbst es zu denken widerstrebte ihm.
Nicht einmal Veronika hatte er seine weniger respektablen Gefühle anvertraut, aber vermutete, dass sie ohnehin wusste, wie es sich verhielt.
Seine Mutter war eine dünne Frau, die immer sehr viel Wert auf ihr Äußeres gelegt hatte, angefangen bei der Frisur über die Kleidung bis hin zum Schmuck. Er konnte sich nicht entsinnen, dass sie je leuchtendere Farben als Taubenblau und Altrosa getragen hatte. Meist Grau, Weiß oder Naturfarben, immer diskret und unauffällig, aber von ausgezeichneter Qualität. Während seiner gesamten Kindheit und Jugend hatte sie immer eine Kette mit rosa schimmernden Perlen getragen, sowohl zu Pullovern als auch zu Blusen.
Klara wollte mitkommen. Er setzte die beiden Kinder ins Auto, schnallte sie an und fuhr zum Gullregnets Demensboende, parkte, half Klara beim Aussteigen und hob die schlafende Nora samt Autositzschale vom Beifahrersitz.
Er trat ein, und eine der Angestellten kam ihm entgegen, in gestreifter Schürze mit Rüschen, wie Carl Larsson sie auf seinen Aquarellen gemalt hatte. Sie war schon älter, beugte sich über den Sitz und sagte etwas in Kleinkindsprache, während Klara finster zu ihr hochschaute.
»Ester hatte einen ruhigen und angenehmen Tag«, teilte sie mit.
Er nickte und ging mit den Kindern ins Zimmer seiner Mutter. Wie immer beschlich ihn eine leichte Depression.
Sie saß im Ohrensessel und schlief. Klara starrte ihre Großmutter mit trotziger Miene an. Claes zog einen Stuhl heran und setzte sich neben seine schlafende Mutter. Der Kopf mit dem grauen gekräuselten Haar war auf ihre Brust gesackt. Er legte ihr eine Hand auf den mageren Unterarm, sie zuckte zusammen, nickte dann aber wieder ein.
»Mama«, sagte er recht laut.
Sie hob den Kopf und starrte ihn schlaftrunken an.
»Wie du mich erschreckt hast!«, sagte sie. »Bist du das, Ulf?«
Fast richtig, dachte Claes. Sein jüngerer Bruder. Nicht schlecht!
»Nein, ich bin’s, Claes.«
»Gute Güte, was machst du hier?«
»Mama, schau mal, ich habe Klara mitgebracht«, sagte er und legte seiner Tochter einen Arm um die Schultern. »Deine Enkelin.«
»Ach? Wo hast du die auf einmal her?«
»Ich bin nicht das erste Mal mit Klara hier. Erinnerst du dich nicht?«
Seine Mutter starrte ins Leere.
»Nein, ich glaube nicht.«
»Und dieses kleine Mädchen heißt Nora. Sie ist eben erst zur Welt
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