Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 07 - Tödliche Geschäfte
wusste, was sie wollte. Sie riss ein Paar Sandalen aus dem Regal und erklärte mit lauter Stimme, die solle er ihr kaufen.
Sie waren rosa. Claes fragte sich, ob Vorlieben für Farben wirklich geschlechtspezifisch waren, während er, mehr um Zeit zu gewinnen, die Sandalen von allen Seiten betrachtete. Sollte er ihr ihren Willen lassen? Sollte er sich für bessere Qualität, eine dickere Sohle und weniger Plastik stark machen?
Die Verkäuferin trug eine schwarze Jeans und ein weißes Sweatshirt, hatte rabenschwarz gefärbtes Haar und war um die Augen schwarz geschminkt. Sie sah aus wie ein Gespenst oder wie Schneewittchen, wenn man freundlicher sein wollte, denn sie war in höchstem Grade menschlich. Sie lächelte breit und ließ ihre prächtige Zahnspange dabei funkeln. Klara starrte die Spange an.
»Papa, so eine will ich auch im Mund haben«, sagte sie.
Die Verkäuferin lachte und kniete sich dann diensteifrig auf den Boden, um Klara beim Anprobieren zu helfen. Rasch öffnete sie die Schnallen, schloss sie dann wieder und meinte, an den Zehen sei genau genug Platz, damit die Füße im Sommer noch ein Stückchen wachsen konnten. Die Schuhe seien aber auch nicht zu groß, sodass Klara nicht stolpern würde. Sprachlos betrachtete Klara ihre breiten Füße in gestreiften Strümpfen, die jetzt von marzipanrosa Riemen umschlossen wurden.
Als sie an der Kasse zahlten, verfolgte sie ebenso konzentriert, wie die Schuhe in eine Tüte gelegt wurden, die man ihr feierlich überreichte.
»Ich hoffe, dass du im Sommer richtig viel rumrennen kannst«, sagte die Weißgesichtige und lächelte die vor Verzückung immer noch stumme Klara ein weiteres Mal mit ihrer Zahnspange an.
Sogar die Sohlen sind kreischrosa, dachte Claes. Seine Tochter hatte ihren Willen durchgesetzt. Warum auch nicht? Er freute sich an seinem zufriedenen kleinen Kind.
Klara hielt die Tüte ganz fest, als sie die Bank ansteuerten, auf der sich Veronika ausruhte.
Vor ihr stand Daniel Skotte in lässiger Haltung und legerem Freizeitlook, bestehend aus Jeans, T-Shirt und Windjacke. Klara entdeckte ihre Mutter und rannte auf sie zu. In diesem Augenblick hob Daniel Skotte die Hand und verließ Veronika. Sie arbeiteten beide in der Chirurgie des Krankenhauses Oskarshamn, einer zwar kleinen, aber beachtlich guten Klinik, wie Veronika zu sagen pflegte. Der Pflegesektor im Bezirk Kalmar wurde umstrukturiert. Das war zu einem Dauerzustand geworden, die Absichten waren natürlich immer nur die besten, man wollte für gute Pflege so wenig wie möglich ausgeben. Es blieb einem nichts anderes übrig, als den ganzen Unsinn mitzumachen.
Claes nickte Skotte noch zu, ehe dieser in Richtung Lilla Torget verschwand.
»Skotte sieht ja wirklich erholt aus«, meinte er.
»Ja, er scheint darüber hinweg zu sein«, meinte Veronika.
Du auch, hätte Claes beinahe gesagt. Veronika und Daniel Skotte hatten auch im vergangenen Jahr schon zusammen gearbeitet und dabei so einiges ausgestanden. Aber das Leben ging eben weiter.
Veronika küsste Klara auf die Wange, während ihre Tochter eifrig versuchte, die Sandalen aus der Tüte zu fischen. Veronika hatte ihre Sonnenbrille aufgesetzt. Das Licht war grell, aber das war wohl nicht der Grund, vermutete Claes. Sie stand ihr, aber sie konnte sich auch leicht hinter ihr verstecken, obwohl die Zeiten vorbei waren, in der alle Zeitungen Veronika als mordende Ärztin bezeichneten.
Die Stadt hatte 18000 Einwohner und mit Misterhult, Kristdala und Döderhult waren es sogar 27000. Kleinere Orte hatten Vor- und Nachteile. Claes selbst stammte aus Oskarshamn, was in vieler Hinsicht einfach und bequem war. Es konnte natürlich auch beengend sein, dass sich die Wege aller immer wieder kreuzten. Claes war überzeugt davon, dass Veronika, solange sie in Oskarshamn blieb, damit leben musste, dass alle glaubten, sie habe eine Patientin zu Tode operiert, obwohl das nicht den Tatsachen entsprach. Einem Dementi wurde nie so viel Gehör geschenkt wie einer Katastrophe. Es handelte sich lediglich um ein weiteres Ereignis, das sich zu allen anderen Geschichten über Schuld und Sühne, Verrat und Betrug gesellte, die einem Ort Leben verliehen, auch wenn vieles nach und nach in Vergessenheit geriet. Alle hatten irgendwie dann doch genug mit sich zu tun.
Veronika erhob sich. Sie wollten noch einige Einkäufe tätigen und sich dann an diesem fantastischen Tag dem Garten zuwenden. Plötzlich vollführte sie eine abrupte Bewegung, krümmte sich vornüber und
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