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Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 07 - Tödliche Geschäfte

Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 07 - Tödliche Geschäfte

Titel: Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 07 - Tödliche Geschäfte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Wahlberg
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ihn. Er musste Hilfe holen. Die verdammten Möwen, die über ihm kreisten, kamen kreischend immer näher.
    Die Augen, dachte Ilyas. Konsequent war sein Blick dem Gesicht des Mannes ausgewichen, aber jetzt kniete er sich mit von Ekel begleiteter Neugier hin und zwang sich, dem Passagier in die Augen zu sehen.
    Ihm begegnete ein graublauer Blick. Nicht ganz, denn dieser Blick blieb irgendwie auf halbem Weg hängen. Ilyas ließ die Hand fallen, als gehöre sie einem Pestkranken.
    Dann ging alles sehr schnell. Die Motoren waren noch weiter gedrosselt worden. Das heisere Kreischen der Möwen war jetzt so ohrenbetäubend, dass Ilyas kaum wagte, den Mann allein zu lassen.
    Da entdeckte er einen länglichen Umschlag, der hinter dem Revers seiner Jacke hervorlugte. Ilyas nahm eine Ecke zwischen Daumen und Zeigefinger, und es gelang ihm ihn herauszuziehen, ohne dass Blut daran haften blieb. Er befühlte den Umschlag. Er war dick und nicht zugeklebt. Er schaute hinein. Sein Herz setzte einen Schlag aus. Ohne innezuhalten zog er seinen Bauch ein und steckte den Umschlag in seinen Hosenbund. Dann zog er sein Hemd darüber.
    Die Möwen waren jetzt ganz wild. Sie hatten es auf das Menschenfleisch einer noch warmen Leiche abgesehen. Oder konnte man noch gar nicht von einer Leiche sprechen? Was wusste er schon. Kräftige Möwenflügel rissen ihn beinahe zu Boden. Er warf die Arme über den Kopf, um sich zu schützen, und rannte los, um Hilfe zu holen.
    In diesem Augenblick ging ihm auf, dass sich der Mörder noch an Bord befinden könnte. Vor seinen Augen flimmerte es, aber er eilte weiter zum Achtersalon und auf Ergün zu, der hinter der Theke stand.
    »Ein toter Deutscher!«, brachte er mit Mühe über die Lippen.
    »Ein toter Deutscher?«, wiederholte Ergün und sah unanständig gut gelaunt aus. »Wir müssen dem Kapitän Bescheid sagen!«
    »Ich bleibe hier!«, stotterte Ilyas, der Angst vor dem Kapitän hatte.
    Ergün begab sich Richtung Brücke. Ilyas tigerte vor dem abgewischten und funkelnden Tresen auf und ab, als liefe er barfuß über glühende Kohlen. Trotz seiner Nervosität sah er ein, dass er den Umschlag irgendwo verstecken musste, wo ihn niemand finden konnte. Sonst könnte er wahnsinnigen Ärger bekommen. Er bereute es fast schon, ihn an sich genommen zu haben.
    Die Luft war rein, und er eilte zu seinem eigenen Stand. Er meinte, einen Platz zu wissen: unter der losen Platte auf der Theke. Sie glitt bei Seegang hin und her, und er musste sie festhalten, wenn er Tee eingoss.
    Er stellte das Tablett mit den Gläsern auf den Boden. Er musste sich beeilen, niemand durfte ihn sehen. Er hob die kleine Marmorplatte an und ließ den Umschlag darunter verschwinden. Aber er war zu dick. Die Platte wackelte. Er war gezwungen, sämtliche Scheine herauszunehmen. Euros, so große Scheine, dass ihm schwindlig wurde. Dann legte er die Platte wieder zurecht. Stellte das Tablett darauf. Er kontrollierte, dass nichts unter der Platte hervorschaute, und machte sich auf die Suche nach Ergün.
    Der Kapitän blieb ihnen erspart, aber der Steuermann kam von der Brücke herunter. Das reichte. Wenig später wussten alle an Bord, was geschehen war. Während sie auf die Polizei warteten, ließ der Kapitän die Mannschaft jeden Winkel der Fähre durchsuchen. Sie wollten absolut sichergehen, dass sich kein Unbefugter an Bord versteckte.
    Ein Matrose bewachte die Gangway, damit niemand ungesehen das Schiff verlassen oder betreten konnte.
    Die Fähre MS Tirowor würde an diesem Tag nicht mehr auslaufen.

5
    Kriminalkommissar Claes Claesson betrat mit seiner Tochter an der Hand das Schuhgeschäft. Sie waren vorher in einem Spielzeugladen gewesen und hatten ein Puzzle und eine Prinzessinnenkrone aus Blech gekauft. Von dem rosa Tüllkleidchen musste sie noch eine Weile länger träumen. Recht bald hatte sie ihre Enttäuschung jedoch vergessen. Anschließend besuchten sie ein Fotogeschäft, um eine neue Tasche für den Fotoapparat zu kaufen, und schließlich auf der Suche nach Sandalen ein Sportgeschäft. Dort gab es aber nichts, was Klara haben wollte.
    Abenteuer dieser Art wie Sandalenkäufe für ein kleines Kind vermied er sonst. Das war Veronikas Ressort, aber jetzt war Klara so rührend ernst bei der Sache, dass er sogar dankbar für diese Aufgabe war. Eine bleiche Verkäuferin Mitte zwanzig eilte sofort herbei, um ihnen zu helfen. Vielleicht wirkte er wirklich genauso unbeholfen, wie er sich fühlte. Klara hingegen zauderte keine Sekunde, sie

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