Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 07 - Tödliche Geschäfte
und Hals. Das half zwar nicht gegen die Sommerhitze, verscheuchte aber für einen Moment ihre Müdigkeit.
Ihr Handy klingelte. Ihr einziges Problem in ihrem Leben rief an.
»Hallo, Mama.«
»Was machst du?«, fragte ihre Mutter zärtlich und streng.
»Ich bin im Büro und bringe noch eine Sache zu Ende.«
»Aber Liebes, du arbeitest doch nicht etwa an einem Sonntag? Du musst auch mal unter die Leute, deine Freundinnen treffen … vielleicht hat ja eine von ihnen einen Bruder …?«
Merve seufzte nicht einmal. Ihre Mutter rief zwei Mal täglich aus Iznik an, und das war definitiv ein Mal zu viel. Wenn sie doch nur damit aufhören würde. Merve war nicht verheiratet, da lag der Hase im Pfeffer. Sie war ein Einzelkind. Mit anderen Worten waren die Enkel in spe sehr dünn gesät.
»Ich habe keine Zeit für Männer«, sagte sie provozierend zu ihrer Mutter, deren Unruhe seit Merves Dreiunddreißigstem noch beträchtlich zugenommen hatte. »Türkische Männer wollen keine gut ausgebildeten, selbstständigen Frauen.«
Ihre Mutter war unerbittlich. Sie seufzte schwer. Merve beendete nach diversen Zärtlichkeiten das Gespräch.
»Du bist meine allerbeste Mutter. Bis dann!«, sagte sie.
Notizen und Protokolle bedeckten den Schreibtisch. Gefordert war eine Zusammenfassung, nicht lang, aber präzise, teils die Mitteilung eines Todesfalls, teils ein an die schwedische Polizei gerichtetes Ersuchen, die Angehörigen von diesem Todesfall zu unterrichten.
Außerdem sollte sie anhand des Führerscheins, der in seiner Brieftasche in seiner Gesäßtasche gesteckt hatte, die Fakten über das Opfer Carl-Ivar Olsson zusammentragen. Dort hatten sich auch etliche Geldscheine befunden, sowohl türkische Lira als auch Euro, eine Summe, mit der sie sich von Kopf bis Fuß hätte neu einkleiden können.
Ihr Chef hatte auch nichts dagegen, dass sie auf elegante Art in einer Zeile erwähnte, dass man für Unterstützung bei den Ermittlungen von Seiten der schwedischen Polizei dankbar war.
»Sehr dankbar«, formulierte er zuerst, unterbrach sich dann aber. »Streich das ›sehr‹, das klingt ja so, als würden wir das nicht selbst schaffen, aber …« Er zwirbelte seinen Schnurrbart, wie er das immer tat, und sah sie mit seinen Augen an, von denen das eine blau, das andere braun war. »Dieser Fall lässt sich vermutlich nicht so leicht lösen, ganz gleichgültig, welche Genies sich damit befassen. Zu konfus, ganz einfach.«
Dieser Meinung war sie auch. Ein Mord auf einer Fähre voller Menschen, die meisten unbekannte Passagiere, die sie nie ausfindig machen würden, war ganz einfach zu konfus.
Schon nachdem sie die ganze Besatzung vernommen hatten, waren sie vollkommen erschöpft gewesen. Sie hatten den Vorabend und den folgenden Vormittag dazu benötigt.
Merve schrieb auf Türkisch, danach würde das Ganze in Ankara ins Englische übersetzt, dann ins Hauptsekretariat von Interpol nach Lyon und zu guter Letzt nach Stockholm weitergeschickt werden.
Was dann geschah, lag nicht mehr in ihrem Ermessen. Von dem kleinen Ort, aus dem der Tote kam, hatte sie noch nie gehört.
Irgendwie sieht er rührend aus, dachte sie. Ein adretter älterer Herr. Aber die Art, wie er ermordet worden war, war weder rührend noch adrett. Es handelte sich eher um eine Hinrichtung.
10
Es war Sonntagabend, siebzehn Minuten vor neun Uhr abends.
Birgitta Olsson trat ihren Nachtdienst an. Mit leicht sonnenverbranntem Gesicht saß sie im Stationszimmer. Arme und Beine schmerzten von der schweren Gartenarbeit, der leichte Muskelkater rief ihr aber auch auf angenehme Weise in Erinnerung, dass sie nicht untätig gewesen war.
Sie hatte sogar noch Zeit für ein Mittagsschläfchen gehabt und fühlte sich blendend. Sie hatte Carl-Ivar angerufen, ihn aber nicht erreicht.
Etwa eine Stunde, ehe sie von zu Hause aufgebrochen war, hatte Magnus noch einmal angerufen. Er wollte wissen, ob sich Carl-Ivar gemeldet habe oder ob ihr vielleicht im Hotelzimmer in Istanbul ein Teppich aufgefallen sei. Das war jedoch nicht der Fall. Sie beendeten das Gespräch, da Birgitta mit dem Fahrrad ins Krankenhaus fahren musste. Beinahe hätte sie ihn gefragt, ob er Annelie angerufen und von ihr etwas über Carl-Ivar erfahren habe.
Carl-Ivar und seine Nichte Annelie arbeiteten seit einer Weile zusammen, und was Teppiche anging, wusste Annelie besser Bescheid als Birgitta.
Carl-Ivar kümmerte sich auf diese Weise etwas um die Tochter seiner Schwester, die zurzeit kein konkretes Ziel für
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