Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 07 - Tödliche Geschäfte
bewundert zu werden. Er besaß Fingerspitzengefühl, wenn es um Frauenherzen ging.
Er teilte ihr mit, es sei vermutlich kein Blinddarm, die Tests seien aber noch nicht ausgewertet. Er könne die Patientin jedenfalls nicht nach Hause schicken. Birgitta hörte ein Zögern in seiner Stimme.
»Schließlich ist ihr Hund gerade überfahren worden …«
»Ihr Hund?«
»Genau. Vielleicht braucht sie deswegen ein Bett. Du verstehst das schon, wenn du sie siehst.«
Er gehörte zu den Mitfühlenden, und das war gut so. Manchmal ging es aber auch nur darum, Probleme abzuwälzen, wenn in der Notaufnahme zu viel los und zu wenig Personal da war.
»Und wenn jemand mit ihr klarkommt, dann bist du das!«, sagte er mit Nachdruck. Er wusste, dass man mit Lob am weitesten kam.
Birgitta wollte keine Spielverderberin sein. Sie legte auf und ging mit Soffan zu einer Frau, die an der Galle operiert worden war und am nächsten Tag entlassen werden sollte. Sie hatte geklingelt, weil sie plötzlich wieder Schmerzen bekommen hatte. Sie deutete auf die linke Körperseite, die Gallenblase lag jedoch rechts. Abgesehen von der OP war sie kerngesund und erst dreiundfünfzig Jahre alt. Sie sah blass aus und war verschwitzt. Sie unterhielten sich eine Weile.
»Ich denke, wir machen sicherheitshalber ein EKG«, meinte Birgitta. »Anschließend bitte ich den Arzt, dass er bei Ihnen vorbeischaut.«
Ihre Stimme klang gelassen. Sie sah keinen Grund, die Patientin unnötig zu beunruhigen. Sie bat Soffan, Fieber zu messen. 37,9 Grad. Dann kontrollierte sie den Hb-Wert.
»Nur ein Stich in den Finger«, sagte sie zu der Patientin. Sie überlegte, ob es eine Blutung oder eine beginnende Infektion sein könnte. Vielleicht war es auch das Herz, aber das wirkte weit hergeholt, so fit, wie die Patientin bislang gewesen war.
»Vermutlich alles halb so wild«, meinte die Frau im Bett. »Jetzt, wo ich ein wenig mit Ihnen gesprochen habe, fühle ich mich schon viel besser.«
Soffan holte das EKG-Gerät. Sie schob es den Gang entlang, als die Tür zur Station geöffnet wurde. Birgitta hatte inzwischen festgestellt, dass der Blutwert etwas gesunken war, aber nicht beunruhigend. Sie würde das später mit dem Arzt besprechen. Die Frau mit den Bauchschmerzen und dem toten Hund war in Begleitung einer Schwester von der Notaufnahme eingetroffen. Sie krümmte sich wimmernd, aber sie konnte noch gehen.
Birgitta ging auf sie zu. Anne-Sofie ließ das EKG-Gerät stehen und folgte ihnen. Die Patientin war Anfang zwanzig. Sie schrie auf, als Birgitta ihr die Jacke auszog, die so schwer war, als wären ihre Taschen mit Steinen oder ihrem Hab und Gut gefüllt, und zum Bett führte. Die Frau war sehr mager. Ungewaschenes, strähniges Haar hing ihr ins Gesicht, und die Kleider waren ausgebeult. Ihre Körpersprache war widersprüchlich. Einerseits: Fass mich nicht an! Andererseits: Hilf mir!
»Ich will nicht mehr leben!«, schluchzte die junge Frau laut.
»Na, na, kommen Sie mal mit«, meinte Birgitta und legte einen Finger an die Lippen, damit sie sich etwas mäßigte und die anderen Patienten nicht beim Einschlafen störte.
»Verdammt, ich kann nicht still sein, wenn mein Magen brennt! Sie können mich nicht zwingen! Scheiße! Ich wünschte, ich wäre tot!« Sie schrie so heftig, dass ihr Gesicht tiefrot anlief. Dann krümmte sie sich wieder und ging in die Hocke.
Verdammt, dachte Birgitta. Sie müsste eher in die Psychiatrie in Västervik statt in ein Krankenhaus.
Sie tauschte einen wortlosen Blick des Einverständnisses mit Soffan. Die Patientin müsse wegen der Schmerzen zur Beobachtung bleiben, meinte der Arzt. Dann konnten sie weitersehen. Es konnte schließlich trotz allem der Blinddarm sein. Blinddarmentzündungen waren manchmal schwer zu erkennen.
Sie zogen die junge Frau gemeinsam aus. Die Kleider stanken nach Zigarettenrauch und bedurften dringend einer Wäsche. Sie redeten leise mit der Patientin, und sie beruhigte sich allmählich. Sie war dünn, und ihre Nägel waren abgekaut. Ob sie Drogen nimmt, überlegte Birgitta und suchte nach Einstichen an den Armen. Von der Blutentnahme auf der Notaufnahme hatte sie bereits ein großes Pflaster in der Armbeuge. Die Unterarme wiesen Schrammen und blaue Flecken auf. Vermutlich war ihr Leben recht rau. Birgitta ging davon aus, dass ihre Kollegen in der Notaufnahme einen HIV-Test veranlasst hatten. Die Ergebnisse würden bald eintreffen.
Die Patientin hieß Nilla Söder.
»Sie müssen mir was gegen die
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