Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 07 - Tödliche Geschäfte
das wusste er aus eigener Erfahrung. Er würde auch nicht ohne Annelie leben wollen. Er blieb bei ihr, weil er es wollte. Alles andere war eigentlich bedeutungslos. Was nebenher geschah. Aber ohne das wäre das Leben so grau.
Ihm war bewusst, dass Tina nicht die Frau war, die ihn bis ans Ende seiner Tage glücklich machen konnte. Da gehörte schon etwas mehr dazu. Er war wählerisch. Brauchte zwischendurch etwas Widerstand. Vor allen Dingen war er ambivalent, wollte sich nie ganz auf eine Sache einlassen. Aber er brauchte Annelie. Sie war einfach da. Das mochte er an ihr. Sie war klug, und man konnte mit ihr auch über andere Dinge als nur über Liebe reden. Er hatte sie gern in seiner Nähe, obwohl ihm die Lust vergangen war, mit ihr zu schlafen.
Aber um etwas zu bekommen, musste man auch etwas geben. Das hatte er schon recht früh im Leben begriffen. Und an seiner Mutter praktiziert, die eine ziemlich harte Nuss gewesen war. Sie war kein besonders warmherziger Mensch gewesen, keine Schmusemutter.
Tina und er hatten einige Male über Pär gesprochen. Es war fast so gewesen, als hätte er sie vor ihm retten sollen. Anfänglich war ihm das ganz recht. Er sah sich gern als Ritter auf dem weißen Hengst und wollte es ihr verdammt noch mal ersparen, so leiden zu müssen. Ein Mann, der drohte und schlug, pfui Teufel!
Jetzt fühlte er sich nicht mehr ganz so motiviert. Tina sprach auch nicht mehr so viel davon, Pär zu verlassen. Als hätte der die Zügel gelockert und wäre vielleicht sogar netter geworden.
Sie wolle der Kinder wegen bei ihm bleiben, sie seien schließlich noch nicht so alt, sagte sie. Zumindest eine Weile wolle sie noch bei ihm bleiben, sagte sie zu ihm mit ihrer Kleinmädchenstimme, um ihn um den Finger zu wickeln und Verständnis zu heischen. Währenddessen könnten sie ihre Beziehung weiter aufbauen. Schließlich seien sie wie füreinander geschaffen, meinte sie, und er widersprach nicht.
Aber die Zeit hatte sie beide verändert. Jetzt schienen sie sich auf einem anderen Niveau zu befinden als damals, als sie sich begegnet waren. Es war, als könnte ihre Beziehung wirklich beliebig lange so weitergehen. Vielleicht hatten sie eine Art Gleichgewicht erreicht, was eigentlich vollkommen und fantastisch war.
Jetzt saß er in seinem Auto und wartete auf Tina. Plötzlich hatte er das dringende Bedürfnis, mit Annelie zu sprechen. Vielleicht auch nur, um sich zu vergewissern, dass die Luft rein war, dass das Abendessen bei Gabbi nicht ausfiel.
Sie meldete sich sofort.
»Wie geht’s?«
Ganz okay, erfuhr er.
»Ich wollte mich nur melden.«
»Es gibt also nichts Besonderes?«
Nein, das musste er zugeben. Ihre Stimme klang irgendwie seltsam, fand er, aber er fragte nicht, warum.
»Du kommst also heute Abend nicht nach Hause?«, fragte er stattdessen.
»Nein, ich fahre wie geplant zu Gabbi … ist was Besonderes? Willst du, dass ich nach Hause komme?«
Sie klang etwas besorgt.
»Ganz und gar nicht«, beeilte er sich. »Viel Spaß heute Abend.«
Er beendete das Gespräch.
Was ging eigentlich in ihm vor? Litt er schon an Verfolgungswahn? Was war denn dabei, wenn er Tina Rosenkvist nach Hause brachte? Schließlich waren sie fast Nachbarn, und Nachbarn halfen einander auf dem Land nun mal.
Diese Einsicht beruhigte ihn wieder etwas, jedenfalls in dieser Sache. Es gab anderes, worüber er sich Sorgen machen musste. Man würde ihn anzeigen, und das war ganz allein seine Schuld. Er dachte eine Weile darüber nach, um sich an das Panikgefühl zu gewöhnen.
Oder Ronny würde das meiste abbekommen. Erst nach der Obduktion würden sie mehr wissen, hatte Ronny gesagt. Die Klinik würde die gesetzlich vorgeschriebene Selbstanzeige erstatten, um herauszufinden, ob alles mit rechten Dingen zugegangen war. Die Mühlen werden mahlen, dachte er. Aber alle wussten bereits, dass er leichtfertig gehandelt hatte und an der Sache etwas faul war.
Allein der Gedanke daran ermüdete ihn schon. Es stellte sich die Frage, ob ihm nicht am wohlsten sein würde, wenn er sich voll und ganz zu seiner Schuld bekannte. Das Kreuz auf sich nahm und natürlich um Entschuldigung bat. Dann war die Sache erledigt, und er konnte wieder nach vorn blicken. Das würde die Frau zwar nicht wieder zum Leben erwecken, und er rechnete auch nicht damit, dass ihm verziehen wurde. Aber dann konnte er wenigstens einen Strich unter die Sache machen.
Andererseits hätte es für die Patientin wahrscheinlich keinen so großen Unterschied gemacht,
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