Lupus - Ankunft der Woelfe
hätte sie nicht sagen können. Doch sobald sie die Augen wieder aufschlug, blickte sie dem puren Grauen direkt ins Antlitz.
Der Käfig stand neben ihrem Kopf auf dem Boden. Das Biest lief auf und ab, stieß gegen das Gitter, fauchte und rannte weiter.
Eva zerrte an ihren Fesseln. Würde es sofort zubeißen?
Um sich abzulenken, schloss sie die Augen und konzentrierte sich auf die Fakten. Sie musste an die vielen Versuchstiere denken, die in ihren Käfigen auf ihr Schicksal harrten. Hatte ihr Entführer das Tier aus einem Versuchslabor mitgenommen? Frettchen waren beliebt für Versuche mit dem gefährlichen Vogelgrippe-Virus H5N1. Angeblich verhielten sich die Marder bei intensivem Kontakt zum Menschen sogar zutraulich. Doch dieses Viech schien äußerst wild zu sein.
Schon wieder fauchte es und rüttelte am Käfig.
Starr vor Angst riss Eva die Augen auf und blickte auf den Mechanismus an der Futterklappe. Alle zwei bis drei Stunden hatte das Tier gefressen. Die Futterkrippe hatte sich langsam geleert. Und nun stand das Frettchen schon wieder davor.
Wie viele Minuten blieben ihr noch bis zum Ende? Eva zerrte an ihren Fesseln, die schmerzhaft in ihre Handgelenke schnitten, und rang nach Atem.
Abrupt stoppte das Tier, schnupperte an den stinkenden Fleischresten und riss den letzten Fetzen aus der Halterung. Im selben Moment schnellte die Tür in die Höhe. Das Frettchen schlang den Brocken hinunter. Dann blickte es in Evas Richtung. Ohne zu zögern, kam es näher.
Voller Panik riss Eva an ihren Fesseln. Tränen liefen ihr übers Gesicht. Sie stieß durch den geknebelten Mund einen kehligen Laut aus und starrte auf das Tier.
Das borstige Fell mit den hellen Streifen und die zuckende Nase des Frettchens schienen plötzlich riesengroß.
Fauchend entblößte es seine langen, spitzen Eckzähne. Eva kniff die Augen zusammen und betete.
Im nächsten Moment flutete ein scharfer Schmerz an ihrem Hals ihre Gedanken mit einer rotschwarzen Wolke …
Ich sterbe!
65
Zur selben Zeit
C ube stieg aus dem Rover und zog den Schlüsselbund aus der Jackentasche. Er spähte zum Mehrfamilienhaus hoch und dann auf die vielen Briefkästen. Zwei quollen über. Einer der beiden gehörte Eden. Der Briefbote fuhr mit dem Fahrrad vor und steckte Post in die Kästen. Dann fuhr er wieder weg.
Cube zog nachdenklich die Briefe für Eden hervor und blickte auf den anderen überquellenden Briefkasten und dann auf den Schlüsselbund in seiner Hand. »Verdammt, Frantz! Ich habe einen Fehler gemacht.« Er deutete auf den anderen Briefkasten. »Wir müssen den Hausmeister fragen, wo diese Wohnung liegt. Möglicherweise hatte Eden den Schlüssel zu einer Nachbarwohnung und hat Eva dort versteckt.«
Frantz klingelte beim Hausmeister Sturm. Doch Cube schloss die Eingangstür bereits auf und rannte los.
Auf jeder Etage stoppte er und schnupperte am Eingang. Er erreichte den fünften Stock, durchtrennte das Türsiegel und öffnete Edens Wohnung. Dort riss er den Schlüsselkasten auf, der direkt neben dem Eingang angebracht war. Zwei Schlüssel hingen dort. Er nahm sie beide mit und lief weiter nach oben. Sechster Stock. Der Frettchengeruch wurde wieder schwächer. Siebter Stock. Nichts. Achter Stock. Plötzlich war die scharfsüßliche Note, die ihn an ein Wildtier erinnerte, wieder in der Luft. Er verlangsamte seine Schritte und schnupperte. Der Geruch kam von ganz oben. Eine der beiden Dachwohnungen musste es sein. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend hechtete er die Treppe hinauf. Aus der linken Wohnung dudelte Musik, in der rechten war es still. Er steckte den ersten der beiden Schlüssel ins Schloss. Mist, der passte nicht.
Hektisch probierte er den zweiten. Er passte. Cube drehte ihn, hörte wie die Sicherheitsriegel oben und unten zurückschnappten, öffnete die Tür und lief zur Zimmertür am Ende des Flures. Der Geruch von frischem Blut und Urin schlug ihm entgegen. Erneut drückte er eine Tür auf, ihm stockte der Atem.
Eva lag mit zugeklebtem Mund auf dem Boden, gefesselt zwischen Bett und Heizung. An ihrer Halsschlagader klaffte eine offene Wunde, aus der das Blut rhythmisch hervorspritzte.
Das Frettchen saß in der Lache und leckte das Blut auf. Cube stürmte auf Eva zu. Das Tier stellte sich auf zwei Beine und fauchte ihn an.
Er hob den Fuß und trat mit dem Stiefel zu. Das Frettchen flog quiekend in die Ecke, stand auf und fauchte aus der Ecke weiter. Doch es blieb auf Abstand.
Cube kniete in der Blutlache und drückte mit
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