Lupus - Ankunft der Woelfe
»Professor Steinmeier, Institut für Rechtsmedizin. Es geht um die Selbstmörderin Tabea Niemann. Wurde sie inzwischen verbrannt? Ja, ich warte … Das ist interessant zu hören. Vielen Dank.«
Er legte auf. »Ein Familienmitglied hat Einspruch erhoben gegen das Verbrennungsprozedere.« Über sein ernstes Gesicht huschte ein Grinsen. »Frau Doktor, kennen Sie Paragraf 87, Absatz drei der Strafprozessordnung?«
Eva schüttelte den Kopf.
»Ich gebe Ihnen einen Tipp. Absatz vier regelt, wer das anordnen darf. Na, ich wollte schon immer mal eine mysteriöse Leiche exhumieren. Wir machen es in diesem Fall besser diskret und ohne Presse. Dann wissen wir hoffentlich bald mehr. Frau Müller wird sich sofort um die Anträge kümmern.« Er strich sich übers Kinn. »Hoffentlich kriege ich das im Eilverfahren durch, ohne dem Richter oder Staatsanwalt unseren Verdacht erklären zu müssen. Na, ich werde mir da schon was einfallen lassen.«
Eva atmete erleichtert aus. »Vielen Dank, Herr Professor.«
»Wofür?«
»Für Ihr Vertrauen.«
Steinmeier lachte. »Nein, ehrlich gesagt, weiß ich nicht, was ich davon halten soll. Aber ich bin nun mal ein sehr neugieriger Mensch. Ich erwarte Antworten. Schließlich sind wir hier nicht bei Akte X.«
31
Bei Cube zu Hause, 20:00 Uhr
C ube betrat das Loft. Sofort umhüllten ihn erneut die Erinnerungen an Bella. Nie hatte sein Zuhause größer und leerer auf ihn gewirkt als jetzt. Seine Finger umklammerten die Hundeleine, die an einem Haken am Eingang hing.
Zum hundertsten Mal schaute er auf die Uhr und wartete auf Evas Rückruf. Doch noch immer waren die Laborergebnisse nicht da. Um sich abzulenken, nahm er seine Joggingsachen aus dem Schrank und kleidete sich um. Ein Lauf durch den Wald würde sein Gehirn freipusten. Bella! Normalerweise würde er jetzt mit ihr laufen.
Der Chef hatte ihn tatsächlich in den Innendienst abgeschoben. Verdammt, er müsste mit Frieder reden. Über seine Gefühle. Er schüttelte den Kopf. Unmöglich!
Er nahm sein Handy. »Hallo Kyra. Ich bin’s. Muss ich mir Sorgen um dich machen?«
»Cube. Das ist aber nett, dass du mich anrufst.« Sie putzte sich geräuschvoll die Nase.
»Hast du geweint? Soll ich bei dir vorbeikommen?«
»Nein, es geht schon. Es ist nur ein Schnupfen.«
»Bist du länger krankgeschrieben?«
»Nein, mach dir keine Sorgen. Montag bin ich wieder da.«
»Klingt gut.«
»Und was ist bei euch so los?« Sie nieste.
»Ich soll mit Frieder reden.«
»Weshalb?«
»Bella.«
»Ich verstehe. Und was wirst du tun?«
»Ich weiß es noch nicht.«
»Du magst Frieder nicht.«
»Er beurteilt Menschen nach Rastern.«
»Ich weiß.«
»Soll ich bei dir vorbeikommen?«
»Willst du dich anstecken? Komm Freitagabend, wenn du da noch nichts vorhast. Bis dahin ist der Schnupfen weg. Dann trinken wir einen Wein zusammen und reden über alles. Einverstanden?«
»Geht in Ordnung. Danke, Kyra.«
*
Nachdenklich betrachtete er das Halsband seiner Hündin. Er musste sein Leben ändern. Die vielen Überstunden, das ging so nicht weiter. Und den Nachbarn musste er noch Bescheid geben, dass Bella nicht mehr da war, um auf das Haus aufzupassen. Sie hatten sich abwechselnd um Bella gekümmert, wenn er keine Zeit hatte.
Traurig schaute er aus den bodentiefen Fenstern seines Lofts. In der Ferne blinkten die Lichter der Hauptstadtmetropole. Berlin hatte sich verändert. Die Stadt hat sich von der Virus-Katastrophe vor einem Jahr nicht mehr erholt.
Er dachte an die Quarantäne damals. An die Notfallimpfungen und die vielen Toten, die hektisch verbrannt worden waren, um die Ausbreitung des Virus zu verhindern. Die Maßnahmen waren vergebens gewesen. So viele waren gestorben. Eine Zeitung hatte geschrieben, all die Toten hätten um Deutschland eine Kette bilden können. Er erinnerte sich nur zu gut an die Schlagzeilen. Doch nach dem Abebben der Pandemie war der Albtraum längst nicht vorbei. Die Wirtschaft erholte sich nur langsam. Städte und Kommunen waren pleite. Die Arbeitslosigkeit war rapide gestiegen. Überall gab es Notfallprogramme, auch in anderen Ländern. Die Folgen der Pandemie waren nirgends zu übersehen. Die Gesellschaft war in der Mitte auseinandergebrochen, und nun reagierten die Menschen panisch auf jedes Erkältungszeichen.
Cube band sich die Laufschuhe zu, griff nach dem Wagenschlüssel und verließ die Wohnung. Auf dem Weg durch die Stadt passierte er einen Park mit einem wilden Zeltdorf. Menschen in zerlumpter Kleidung standen
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