Lupus - Ankunft der Woelfe
Umbau eingeschleust hätte?«
»Tja, dann spielt da jemand Gott.«
»Also wäre das nicht abwegig?«
Eva nickte. »Seit Graig Venters Entschlüsselung des menschlichen Genoms und der Erschaffung synthetischer Bakterien und Viren nichts Undenkbares. Schon damals haben die Wissenschaftler geunkt, wir erschaffen irgendwann völlig neue Kreaturen im Labor.«
Cube blickte aus dem Fenster. Die Lichter spiegelten sich fleckig auf seinen Wangen. Sein Kieferknochen mahlte. Nach einer Weile drehte er sich zurück und kippte das Glas Rotwein in einem Zug runter. Er stellte es ab und flüsterte: »Was richten wir Menschen nun schon wieder an?«
»Alexander, ich habe keine Wahl. Ich muss meinen Chef informieren, sobald er von seinem Kongress zurück ist.«
»Wann?«
»Irgendwann morgen.«
29
Evas Wohnung, Dienstagnacht
E va saß im Schlafanzug am Küchentisch. Eine Wärmflasche lag auf ihrem Bauch, und ihre Füße steckten in dicken Wollsocken. Vor ihr stand ein Becher mit dampfend heißem Kräutertee und viel Zucker. Sie rührte in der Tasse und grübelte. Hatte sie sich bei Cube lächerlich gemacht? Sie hatte ihm wilde Theorien über die Hundegene an den Fingerkuppen der Selbstmörderin unterbreitet. Wenn sich nun herausstellte, dass sich jemand einen Scherz erlaubt hatte? Dann würden nicht nur die neuen Kollegen über sie lachen, sondern auch dieser nette Ermittler. Ihr Herz klopfte. Jetzt in der Nacht kam ihr alles so abwegig und surreal vor. Doch wenn das Ergebnis der Probe stimmte, dann musste sie das Rätsel lösen. Cube hatte jedenfalls nicht gelacht, auch wenn er mit krauser Stirn versucht hatte, ihren Theorien zu folgen.
Auf dem Tisch stand ein halb leeres Glas mit Schokocreme. Sie zog es näher, schraubte den Deckel ab und langte mit dem Finger hinein. Cube war seit Langem der erste Mann, der sie wirklich interessierte. Hoffentlich hatte sie ihn nicht mit ihren Theorien verschreckt. Sie leckte den Zeigefinger ab, erhob sich und ging zum Heizkörper. Prüfend legte sie eine Hand an das Metall. Kalt, obwohl sie den Regler hochgedreht hatte. Sie müsste die Hausverwaltung bitten, die Heizungsanlage auch nachts anzuschalten. Mit einem unterdrückten Gähnen blickte sie zum Fenster hinaus. Regentropfen pladderten bereits seit Stunden auf das Vordach. Fröstelnd schlang sie die Arme um ihren Körper. Sie schnappte sich Wärmflasche und Teetasse, schlurfte damit ins Wohnzimmer und stellte die Sachen ab.
Suchend blickte sie sich um. Wo hatte sie das antike, ledergebundene Werk, das sie auf der letzten Fantasymesse für horrendes Geld erstanden hatte, hingelegt? Vielleicht im Schlafzimmer unter dem Bett? Tatsächlich fand sie es dort. Sie ging zurück ins Wohnzimmer, setzte sich aufs Sofa, zog eine Decke über die Beine und schlug den Folianten auf. Menschen mit Tierschwänzen, Pferdegestalten mit muskulösem, männlichem Oberkörper, pelzige Zwerge und verschiedene Wesen mit Hörnern und Flügeln blickten ihr entgegen. Das Buch war angeblich weit über hundert Jahre alt. Einige Zeichnungen sollten Originale sein.
Ein kleines Vermögen hatte sie dafür investiert. Mal wieder spontan und ungeplant. Denn eigentlich hatte sie auf der Messe nur erfahren wollen, warum ihr Tattoo so schnell erblasste und keine Farbe dauerhaft hielt. Mit einer Hand schob sie das Pyjamaoberteil herunter und betrachtete das frisch nachgestochene Kunstwerk, das von der Schulter bis zum Oberarm verlief: ein orangefarbener Drache mit rot geflammter Zunge, umgeben von grünen Ranken.
Es war ihr ein Rätsel.
Eva zog den Stoff zurück und blätterte weiter in dem Buch. Versonnen betrachtete sie die Zeichnungen. Einige waren mit Buntstift nachkoloriert, andere mit Aquarellfarben. Der Verkäufer hatte behauptet, die Zeichnungen seien alt und per Hand ausgeführt. Vorsichtig strich sie über das Papier und hielt es ins Licht. Doch ihr Kunstverständnis reichte nicht aus, um die Bilder exakt zu datieren. Auch konnte sie nicht unterscheiden, ob es wirklich Originale waren oder ob das ganze Buch womöglich ein Fake war. Wenn es aber echt war, dann schätzte sie es aufgrund der handschriftlichen Schnörkel auf die Zeit des Jugendstils. In der Mitte waren plötzlich die meisten Illustrationen nur noch in Schwarz-Weiß gedruckt. Enttäuscht blätterte Eva weiter. Immerhin hatte jemand akribisch viele Fakten über Mischwesen zusammengetragen. Im Anhang entdeckte sie sogar eine handschriftlich gefertigte, nachträglich eingeklebte Liste und überflog die
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