Lupus - Ankunft der Woelfe
packe den Mantel in Folie und nehme ihn mit in die Rechtsmedizin. Und jetzt lass mich deine Hand verarzten.«
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Donnerstag, 5:00 Uhr
E va wippte auf dem Stuhl. Seit Stunden saß sie zu Hause an ihrem Computer und wartete auf die dringend benötigten DNA-Analysen. Die Kollegen im Labor machten Überstunden. Draußen dämmerte es bereits. Ein schwach bläulicher Lichtschein erhellte das Fenster. Zeit für einen Kaffee, beschloss sie und erhob sich. Gähnend ging sie in die Küche und schaltete die Kaffeemaschine ein. Dann kehrte sie zurück zum Schreibtisch, rieb sich die müden Augen und warf einen Blick auf den Bildschirm. Sie erstarrte. Eine Mail war in der Zwischenzeit vom Institut hereingekommen.
Hastig beugte sie sich über die Tastatur und öffnete den Bericht der Kollegen. Mit bis zum Hals pochendem Herzen las sie die Nachricht.
Da hatte sie die Bestätigung. Die Probe von Tabea Niemann war nicht vertauscht worden. Die neuen Gewebeproben an der Leiche brachten dieselben Ergebnisse: Hundegene an den Fingerspitzen, ein Mosaik auf der Hand, der Rest human.
Ein Frösteln zog sich über Evas übernächtigten Körper. Sie erhob sich von ihrem Bürostuhl, über dem sie halb gekauert hatte, klaubte sich vom Sofa eine Strickjacke und schlich in die Küche, um den Kaffee zu holen und die Müdigkeit zu verscheuchen. Die ganze Nacht hatte sie kein Auge zugetan, doch jetzt war erst recht nicht mehr an Schlaf zu denken. Steinmeier wollte eine erste Einschätzung, falls die Proben den Chimärenverdacht bestätigten. Natürlich hatte sie das zugesagt, doch jetzt dämmerte ihr, wie schwierig es würde, diesen Bericht zu schreiben. Mit Cube bei einem Glas Wein wilde Theorien zu formulieren, das war etwas gänzlich anderes, als eine wissenschaftliche Abhandlung zu schreiben, unter der ihr Doktorname stand. Ihr Ruf stand auf dem Spiel.
Eva ging die Ergebnisse durch. Die Kollegen hatten ganze Arbeit geleistet und die Hundegene bereits mit denen an den Mordopfern verglichen. Keine Übereinstimmung! Doch was hieß das? Verschiedene Hunde, verschiedene Menschen, verschiedene Chimären? Konnte sie davon ausgehen, dass der Täter eine ebenso veränderte Hand, ja Kralle oder Pfote hatte? Vielleicht sogar wesentlich stärker verändert als bei der toten Niemann?
Die Spuren an den Opfern erlaubten diesen Schluss. Schon bei der ersten Obduktion hatte Eva gemerkt, dass etwas nicht mit den Kratzspuren stimmte. Wenn es ein Hund gewesen war und keine Katze, warum hatte er dann gekratzt? Das war untypisch. Jetzt erschien es ihr einleuchtend. Ein Mensch würde anders kämpfen als ein Hund. Er würde seine Krallen anders einsetzen.
Eva stockte der Atem. Hektisch sprang sie auf und rannte in ihrem kleinen Büro auf und ab. Cube wartete ebenfalls auf die Analysen. Sollte sie ihn jetzt sofort anrufen? Morgens um fünf Uhr? Sie schüttelte den Kopf. Gönnte sie ihm noch eine halbe Stunde Schlaf.
Erneut setzte sie sich und blickte auf die Ergebnisse der genetischen Analysen. Sie musste ganz sicher sein, nichts übersehen zu haben. Aber so oft sie die Fakten auch prüfte, immer wieder kam sie zu demselben Schluss. Zwei Menschen standen im Zusammenhang mit Hundegenen. Bei der Niemann war es eindeutig, ihre Hand hatte sich genetisch verändert. Bei dem Serienmörder war es noch nicht eindeutig. Die Rechtsmediziner hatten nur die Spuren vom Tatort. Erst wenn der Täter überführt war, könnten sie mit Bestimmtheit sagen, was mit seiner Hand passiert war.
Eva ließ den Kaffee erkalten und klickte sich durch die Bilder, die der Gen-Sequenzierer gemacht hatte. Sie suchte eine Nadel im Heuhaufen. So käme sie nicht weiter. Also legte sie die Schablonen mit einer App übereinander und ließ das Programm suchen, bis es Übereinstimmungen fand. Eine Stunde später filterte sie mit einem weiteren Programm die Sequenzen heraus, bei denen bekannt war, für welche Eigenschaften sie codierten. Übrig blieben unzählige kleine Codierungsschnipsel und ein auffällig langer Abschnitt. Ein bei anderen Menschen nicht vorhandenes Stück Gensequenz, das bei der Selbstmörderin und dem Mörder identisch war.
»Liegt hier der Schlüssel für die Veränderung?«, flüsterte sie in die Stille des Büros. Sah sie hier die Spuren eines Virus, das die Veränderungen herbeigeführt hatte? Womöglich eine Kreation aus dem Labor? Künstlich erzeugt? Oder war das Werkzeug des Virus zufällig entstanden? Absicht oder Unfall? Hatten die beiden Personen an einer Testreihe
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