Lupus - Ankunft der Woelfe
das Erbmaterial eines Bakteriums komplett synthetisch herstellen konnte, hatte sie begonnen. Aber eigentlich schon viel früher.
Mit diesem Gedanken näherte sich Urbath seinem jüngsten Problem und blickte auf eine Lücke in einer Vitrine. Sofort lief ihm vor Ärger der Schweiß in den Kragen seines Arztkittels. Diese unwissende Krankenschwester Jolanda Rost hatte seine Maus gestohlen. Und nun hatte die Kripo das Fundstück auch noch beschlagnahmt. Als Beweismittel! Vermutlich hatte die kleine Krankenschwester keine Ahnung gehabt, was sie da in den Händen hielt.
Die Laune des Professors sank auf einen morgendlichen Tiefpunkt. Ja, dort in der Vitrine, in einem Glas mit Formaldehyd und somit gut konserviert, hätte die Maus stehen sollen. Genau dort, wo jetzt diese unschöne Lücke war.
Er ließ die Brille auf der Nasenspitze und erhob sich seufzend von dem weißen Ledersessel. Leicht gebeugt, mit den Händen auf dem Rücken, schritt er über den leeren Gang zum Schwesternaufenthaltsraum.
»Guten Morgen«, grüßten zwei blutjunge Krankenschwestern.
»Ist Schwester Anne noch nicht da?«, krächzte der Professor und sah die beiden tadelnd an.
»Nein«, echote es fast wie aus einem Munde.
Urbath sah demonstrativ auf die Uhr und dann zum Kaffeeautomaten. Die Maschine blubberte. Irgendwo im Gerät entwich ein schlürfendes Geräusch.
»Wer hat den Kaffee gekocht?«
»Ich.«
Er machte sich nicht die Mühe, herauszufinden, wer von den Hühnern »ich« gerufen hatte. Die Blonde mit dem Schlafzimmerblick oder die Schwarzhaarige mit den lila geschminkten Kuhaugen. Ganz sicher konnte keine von beiden anständig Kaffee kochen. Wo blieb nur die liebreizende Schwester Anne? Sein Täubchen. Das war ja nicht zum Aushalten. Der Kaffee sah aus wie Abwaschwasser. Urbath zog mit spitzen Fingern die Glaskanne aus der Halterung, griff sich eine Porzellantasse aus dem Regal und goss sich von der Brühe ein. Wo hatten die Gänse den Zucker versteckt? Sein Blick schweifte über das Regal und dann zum unaufgeräumten Küchentisch.
»Zucker?«, motzte er.
»Steht auf dem Tisch«, kam die Antwort unisono.
Er schüttete die halbe Dose in seine Tasse und rührte mit dem Löffel um, den er im Zuckertopf gefunden hatte. Noch im Stehen probierte er einen Schluck und hustete.
Hatten die beiden Schwesterntrachtträgerinnen eigentlich nichts Besseres zu tun, als ihn zu beobachten?
»Die Damen, nun kommen Sie hier bald mal zum Ende. In fünf Minuten ist Dienstbeginn«, motzte er im Befehlston.
»Immer mit der Ruhe«, antwortete die Schwarz-Lila-Gesträhnte und gähnte.
Die Blonde erhob sich mit hochrotem Kopf. »Entschuldigen Sie, Herr Professor.«
Fast hätte sie noch einen Knicks gemacht, dachte Urbath ungehalten und griff in seine Kitteltasche. Er müsste Schwester Anne anpiepen. Sie müsste neuen Kaffee kochen. Die dummen Hühner hier waren ja nicht zum Aushalten. Er zog den Autoschlüssel hervor. Lieber Gott, was für ein verkorkster Morgen, kein Handy. In den Hosentaschen hatte er es auch nicht. Er schob das Stethoskop beiseite und klopfte gegen die Brusttasche. Auch dort nichts. Dann musste das Teil wohl noch im Porsche liegen.
Er knallte die Tasse aufs Buffet und machte sich wortlos auf den Weg zum Parkdeck. Der Fahrstuhl steckte irgendwo in den oberen Etagen fest. Die schwere Brandschutztür ins Fluchttreppenhaus gab nur widerwillig nach. Sofort fraß sich die Kälte des Parkhauses durch den dünnen Arztkittel. Schlecht gelaunt stieg Urbath die Stufen hinab. Als er endlich das untere Deck erreicht hatte, drang ein spitzer Schrei an seine Ohren. Auf seinen Armen richteten sich sämtliche Härchen auf. Ein gurgelndes Brüllen folgte dem Schrei und echote durch die Parkhalle. Unmenschlich. Wie von einem wilden Tier. Eine Mischung aus Jaulen und Fauchen. Urbath wusste augenblicklich, dass etwas ganz und gar Grauenvolles geschehen war, und zog unwillkürlich seinen Kopf zwischen die Schultern.
Im Nebendeck hörte er schwere Schritte. Stapfend. Sie kamen langsam näher. Dann ein Schlurfen, und die Schritte entfernten sich wieder. Urbath atmete erleichtert aus. Er hörte sein eigenes Herz vor Aufregung wild schlagen. Was sollte er nur tun? Ratlos sah er sich um. Ohne Handy konnte er nicht einmal um Hilfe rufen.
Ein silberner Porsche kam die Einfahrt hereingefahren. Urbath lief ihm entgegen und wedelte mit den Armen.
Der Fahrer senkte die Scheibe ab. »Ja?«
»Halten Sie an! Halten Sie an! Haben Sie ein Handy?«
Der Fahrer
Weitere Kostenlose Bücher