Lupus - Ankunft der Woelfe
nickte. »Ich stehe doch bereits, Herr Kollege. Was ist denn so Schreckliches passiert?«
»Kommen Sie! Schnell!« Professor Urbath bückte sich und spähte in den Wagen. Er verstummte. Auf dem Beifahrersitz saß seine Schwester Anne. Deshalb kam sie neuerdings zu spät. Ja, es war ganz offensichtlich. Die beiden hatten ein Verhältnis.
»Was ist denn nun?« Der Arzt trommelte aufs Lenkrad.
»Äh, ich habe in der hinteren Halle eine Frau schreien hören. Es klang fürchterlich. Ganz furchtbar.« Die Stimme des Professors verlor an Tiefe und überschlug sich vor Aufregung.
Das Lächeln im Gesicht des Porschefahrers erstarb. Er fuhr in die nächste freie Parklücke, stoppte den Motor, sprang aus dem Fahrzeug und lief mit Urbath im Schlepptau durchs Parkdeck.
Schon von Weitem waren die blutverschmierten Beine des Opfers zu erkennen. Sie ragten hinter einem schwarzen VW-Kombi hervor. Urbath umrundete das Fahrzeug und erschrak. Die Frau lag auf dem Bauch in einer Blutlache. Ihr Mantel war an der Schulter aufgerissen. Die roten schulterlangen Haare bedeckten das Gesicht.
Er blieb stehen. Der Kollege kniete sich sofort über die am Boden liegende Frau. Schwester Anne hockte sich ebenfalls daneben. Der Arzt legte zwei Finger an die Halsschlagader und fühlte den Puls. »Nichts«, sagte er, schüttelte den Kopf und blickte Schwester Anne in die Augen. Sie stieß einen kurzen Schrei aus Schluchzen und Entsetzen aus. Der Arzt blickte zurück auf die tote Krankenschwester, drehte sie auf den Rücken und wich vor Entsetzen zurück.
Urbath war froh, dass er dem Kollegen den Vortritt gelassen hatte und zwei Schritte entfernt neben einem Stahlträger stand, den er umklammerte, während sich sein Magen schmerzhaft zusammenzog. Er schluckte gegen die aufkommende Übelkeit an.
Die Verletzungen im Gesicht der Toten sahen aus, wie von einer Pranke geschlagen. Tiefe Rillen zogen sich über Wange und Nase, hatten die Haut in Fetzen gerissen und das darunterliegende weiße Jochbein freigelegt. Es sah aus wie der Knochen eines angefressenen rohen Koteletts.
»Herrgott, die Bestie hat wieder zugeschlagen!«, flüsterte er und lehnte sich zitternd gegen die eiskalte Wand.
*
Sonderermittler Cube erreichte die Nachricht vom Fund der Leiche nur zehn Minuten später. Ein Zivildienstleistender hatte ein Foto geschossen und es zur Rettungsleitstelle geschickt. Diese schickte die Daten an den Server für die Mordkommission. Schiller gab sie frei und die Aufnahme der Toten erschien auf der Digitalwand: Zierlicher Körper, weißer Kittel, rote Haare, das Gesicht des Opfers war nicht zu erkennen …
Sonderermittler Baum griff als Erster seine Lederjacke. »Einsatz, Leute …«
Cube blickte wie erstarrt auf die roten Locken der Toten.
»Weiß man schon, wer sie ist?« Er hielt den Atem an.
»Ja, eine Krankenschwester von der Charité«, antwortete Schiller, der in der Tür zum Großraumbüro stand.
»Ist das sicher?«
»Ja, kein Zweifel.«
Erleichtert atmete Cube aus. Nicht Eva!
Er nahm seinen Mantel und ging zur Tür, doch Schiller hielt ihn am Arm fest und senkte die Stimme. »Frieder hat heute Morgen Zeit für Sie. Wenn Sie mit ihm über den Verlust von Bella reden, dann können Sie den Außendienst wieder aufnehmen. Frieder muss nur bestätigen, dass Sie für diese Art der Belastung tauglich sind. Aber sagen Sie ihm nicht, dass Sie Bella aus Mitleid erschossen haben. Dann fallen Sie hier länger aus. Sagen Sie nur, der Hund habe Sie angegriffen. Es sei absolute Notwehr gewesen. Das war es doch schließlich?« Schiller zwinkerte ihm wohlwollend zu.
Cube stöhnte. »Das ist jetzt nicht Ihr Ernst.«
»Leider doch. Sie müssen mit Frieder reden. Da Frantz mich offiziell in Kenntnis gesetzt hat, dass Sie die Dienstwaffe gezogen haben, um Ihren Schäferhund zu erlösen, muss ich die Sache nun bürokratisch und ordnungsgemäß für die Akten abschließen. Sonst drohen uns noch ganz andere Untersuchungen von außen. Also gehen Sie, und bringen Sie es endlich hinter sich! Frieder ist schon informiert. Es ist doch nur noch eine Formsache!«
*
Professor Urbath brauchte jetzt dringend etwas Hochprozentiges, um seinen rebellischen Magen zu beruhigen. Er öffnete den hochglanzpolierten Lackschrank in seinem Büro und griff nach der Grappa-Flasche. Ein Geburtstagsgeschenk seiner Abteilung. Vor Aufregung japste er noch immer nach Luft, während er sich das Wasserglas fingerbreit vollgoss. Er überlegte einen Moment, dann schüttete er den
Weitere Kostenlose Bücher