Lupus - Ankunft der Woelfe
spät, Vater zu werden. Die Medizin hatte Fortschritte gemacht, meine Frau wurde endlich schwanger. Aber ich weiß nicht, was das mit dem Verschwinden von Eva zu tun haben soll. Warum stellen Sie mir solche Fragen?«
»Reine Routine. Ich versuche mir nur, ein Bild zu machen. Hat Ihre Tochter eine gute Freundin, bei der sie vielleicht übernachtet haben könnte?«
Der Professor überlegte. »Sie hat nur eine Freundin. Die zwei kennen sich aus dem Studium. Warten Sie, ich suche die Nummer raus. Aber Eva würde mich nie versetzen und dann nicht erreichbar sein. Sie weiß, dass ich mir Sorgen mache. Deshalb fällt es ihr ja so schwer …« Der Arzt stockte und presste die Lippen aufeinander.
»Reden Sie weiter! Ich bin ganz Ohr.« Cube sah ihm forschend in die Augen.
»Im Grunde ist sie ein hilfloses Kind. Wenn sie sich endlich die Nase richten ließe, dann könnte auch ihr Selbstbewusstsein zunehmen.«
Cube holte tief Luft, verkniff sich aber einen weiteren Kommentar. Es war nicht seine Aufgabe, Lebenslügen zu kommentieren. Er musste Fragen stellen und Schlussfolgerungen ziehen, die seiner Ermittlungsarbeit dienten. Und vor allem durfte er sich nicht anmerken lassen, wie nahe er Eva stand. »Wo liegt das Problem?«
»Die Nase ist für eine Frau einfach zu groß geraten.«
»Sieht Ihre Tochter das genauso?«
Der Professor zuckte mit den Schultern und sah zum Fenster hinaus. »Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Ich habe sie nie gefragt.«
Innerlich schüttelte Cube den Kopf.
Alles Lüge!
Doch er ließ sich nichts anmerken. »Und haben Sie Ihre Tochter auch nie gefragt, warum sie hier nicht arbeiten will?« Cube musterte den Professor, dessen Augen um Jahre gealtert wirkten, trotz der nahezu faltenfreien Gesichtshaut.
»Es gibt keinen vernünftigen Grund, warum sie nicht meine Nachfolgerin werden will.«
Der Nano-Computer an Palmers Handgelenk begann zu summen. Er entschuldigte sich, steckte den Ohrstöpsel ins Ohr und nahm das Gespräch entgegen. »Ja, wir reden später darüber. Meine Tochter wird vermisst.« Der Professor schaltete auf Off und tippte auf das Display des Nano-Computers. »Ein Prototyp. Sehr praktisch«, murmelte er.
»Ich wollte eigentlich nicht mit Ihnen über Ihre sprechende Uhr reden«, konnte sich Cube eine bissige Bemerkung nun doch nicht verkneifen. »Wo Ihre Zeit so knapp und kostbar ist.«
Der Professor quittierte die Ansage mit einem versteinerten Gesicht. »Bringen Sie meine Tochter heil zurück! Wie Sie selbst sagen, ich habe zu arbeiten.« Mit dem ausgestreckten Arm wies er zur Tür.
Was für ein merkwürdiges Gespräch, dachte Cube. Er und der Professor hatten so getan, als würden sie Eva kaum kennen.
50
Charité, 11:03 Uhr
C ube ignorierte die Nummernschildangabe und chauffierte den Rover auf einen der wenigen freien Ärzteparkplätze der Charité. Hermine Gart, Evas Freundin, war sofort bereit gewesen, sich mit ihm zu treffen. Er sah auf die Uhr. Noch sieben Minuten Zeit. Seine Hand wanderte nach rechts zum Beifahrersitz. Er zog den Mantel vom Sitz und stieg aus. Die automatische Verriegelung schloss mit leisem Klicken.
Cube überblickte den grauen Parkplatz. Ein Arbeiter schüttete Schotter auf den Schneematsch.
Cube musste an sein fernes Weingut denken. Es hatte Zeiten hinter sich, da in der Landwirtschaft noch in Tagwerk abgerechnet wurde – eine Fläche, die mit einem Ochsengespann bis Sonnenuntergang bewirtschaftet werden konnte. Er fragte sich, ob der Arbeiter hier eine ebenso riesige Fläche schnee- und eisfrei halten musste, und er hoffte für den Mann, dass hier in Berlin die preußische Regel zutraf: das Maß Morgen , das ein Landwirt an einem Morgen schaffen konnte.
Das Kratzen der Schaufel verstummte.
»He, Sie!«, rief ihm der Mann hinterher.
Cube drehte sich um.
»Ja, Sie meine ich!«
»Ja, bitte?«
»Sie können hier nicht parken. Das ist ein Ärzteparkplatz.«
»Ich bin im Dienst.«
Cube zog seinen Ausweis hervor. »Polizeiliche Ermittlungen. Ich bleibe nicht lange.«
»Und was sage ich dem Herrn Doktor, dem der Parkplatz gehört?«
»Was ich Ihnen auch gesagt habe. Es dauert nicht lange. Er soll einen anderen nehmen. Es sind doch noch genug Ärzteparkplätze frei.«
»Legen Sie wenigstens Ihren Sonder-Parkausweis vorne hinter die Windschutzscheibe!« Der Mann begann erneut damit, den Schotter über dem Weg zu verteilen.
»Sie wissen ja jetzt, wer hier parkt«, schüttelte Cube den Kopf. Er wollte nicht, dass jeder sehen konnte, dass
Weitere Kostenlose Bücher