Lupus - Ankunft der Woelfe
das, was er vorhatte, war Dunkles besser geeignet. Er wäre in der Dämmerung so gut wie unsichtbar. Wer achtete schon bei diesem Matschwetter auf einen Mann mit Kapuzenjacke? Jeder zweite Student lief so rum. Und in jedem dritten Thriller sahen die Mörder so aus. Er lachte bei diesem Gedanken.
Ein Mörder also … Der Schneematsch passt zu meiner Verkleidung und meiner Laune. Morgen will ich sauberen weißen Schnee. Hast du das gehört? Du da oben? Schnee und nicht diesen ekligen Dreck! Mein Leben soll wieder weiß werden und von reinem Weiß umgeben sein. Wenn ich die Schuldigen beseitige und die Mitwisser unter Druck setze, dann kann ich vielleicht sogar in mein altes Leben zurückkehren. Warum auch nicht. Ich hatte schließlich Bestnoten …
Der Mann stieg aus, sah sich prüfend um und lief auf die Gründerzeitvilla zu. Die Welt um ihn herum schien nur noch aus Kälte, Nässe, grauen Flocken und Matsch zu bestehen. Er duckte sich unter dem Vordach, drückte die Klingel und sah sich zum wiederholten Male um, während er von einem auf den anderen Fuß trippelte. Weißer Putz. Weiße Gardinen. Auf der Fensterbank eine weiße Porzellankatze mit grünen Augen. Eine Assoziation ließ ihn lächeln.
Eva hat auch grüne Augen.
Schöne grüne Augen.
Er wartete.
Die Tür öffnete sich nicht.
Verdammt, laut Flugplan musste der Professor doch längst zu Hause sein. Oder war er zu früh? Der Mann blickte zur Straße. Der Sportwagen war nirgends zu sehen. Vielleicht in der Garage?
Nun gut, er könnte warten. Aber hier dufte er nicht länger stehen, es könnte ihn noch jemand sehen. Mit geducktem Kopf huschte der Mann zurück zu seinem Auto und schlug die Tür mit einem Knall hinter sich zu.
Kurz darauf fuhr ein Taxi vor, hielt mit laufendem Motor vor dem Haus. Dahinter stoppte ein weiteres Auto. Ein Range Rover. Jetzt bloß keine Zeugen! Der Wartende duckte sich und beobachtete, wie ein Mann im blauen Mantel aus dem Taxi stieg und dabei vergeblich versuchte, nicht in den nassen Schnee zu treten. Er hielt eine Aktentasche über den Kopf und rannte zum Eingang, ohne sich noch einmal nach dem Taxi umzuschauen.
Du bist es.
Endlich.
Auf dich habe ich gewartet.
Jetzt wirst du für alles büßen!
Von wegen nur ein paar schlechte Träume und zittrige Hände.
Du hast mich betrogen.
Dir verdanke ich meinen quälendsten Albtraum.
Einen Albtraum, der niemals wieder enden wird.
Du bist an allem schuld.
Doch mein ist die Rache.
Er blickte kurz zum Himmel.
Kann sich das Wetter mal entscheiden?
Regen oder Schnee?
57
Wenige Minuten zuvor
K yra hatte bereits geschlafen. Auf Zehenspitzen war er ins Krankenzimmer geschlichen und hatte ihr die Tasche hingestellt. Dann war er wieder gegangen, hatte den Zettel mit der Adresse von Professor Becker aus seiner Manteltasche gezogen, war ins Auto gestiegen und hatte die Zieladresse ins Navigationsgerät eingegeben. Zwar wusste er ungefähr, in welchem Stadtteil sich das Haus befand, aber er wollte keine Zeit mit Suchen verlieren. »Cowboy, wenn du hier parkst, blockierst du den Highway …« Cube schaltete die Fun-Ansage im Navi aus. Ihm war nicht nach Scherzen. Eva war verschwunden, und seine Sorge um sie nahm von Minute zu Minute zu.
Zum hundertsten Mal blickte er auf die Uhr an seinem Handgelenk. Noch zwei Stunden, bis der Professor das Lösegeld aus der Bank holen und sich mit dem Erpresser treffen würde, wenn es tatsächlich eine Entführung war.
Er presste die Lippen aufeinander. Jetzt noch Verstärkung anzufordern, nur auf einen bloßen Verdacht hin, dazu war die Zeit zu knapp. Er müsste die Verfolgung von Palmer alleine durchziehen und von unterwegs die Kollegen informieren, falls überhaupt notwendig.
Bis dahin würde er die Zeit nutzen und endlich mit Becker reden. Vielleicht wusste er, wer von seinen Probanden durchgedreht war. Denn letztendlich lief es doch darauf hinaus, dachte Cube und drehte auf der Suche nach einem Parkplatz eine zweite Runde in dem Villenviertel von Kleinmachnow. Die Temperaturanzeige zeigte null Grad. Fahrzeuge ohne Winterbereifung rutschten nur noch langsam im Schneematsch vorwärts.
Hektisch trommelte er aufs Lenkrad und fädelte sich zum zweiten Mal in den Straßenverkehr der Straße ein, die an Beckers Villa vorbeiführte. Spätestens vierzig Minuten vor dem Banktermin müsste er hier wieder aufbrechen. Viel Zeit blieb ihm nicht mehr. Plötzlich hielten sämtliche Autos vor ihm. Ein uralter, verrosteter Renault hatte sich quer
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