Lust auf Lust: Intime Geständnisse
Schreien über jemandes Outfit, wedle mit den Händen und sage affektiert: » Oh my Gooood.« Das ist hier nämlich erlaubt. Und plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Ich bin eine fag hag . Ein Mädel, das auf die Schwulenszene abfährt. Ein Mädel, das sich mit Schwulen umringt, weil die so schön shoppen, so ungeniert weiblich sind und so schön tratschen können. Und weil die einem nie zu nahe kommen. Alle Mädchen, mit denen ich hier spreche, geben offen zu, dass sie gar keine Lesben sind, sondern fag hags . Ich fühle mich auf einmal ganz wie zu Hause und lebe mich in meinem neu gefundenen Bewusstsein aus.
Aber nach einigen Stunden verändert sich was bei mir. Ich werde stiller, ich mache nicht mehr so ausgelassen mit und stelle mich nicht einmal Arm in Arm mit den anderen auf, um aus vollem Halse I Will Survive mitzusingen. Ich setze mich kurz mal auf einen Barhocker und sehe mich um. Ich sehe Jungs. Nur Jungs. Jede Menge Jungs. Aber mich guckt verdammt noch mal kein Schwein an. Sie sprechen nicht mit mir, versuchen es nicht einmal, und laden mich nicht zu einem Bier ein. Eigentlich verhalten sie sich so, als ob sie überhaupt nicht an mir interessiert wären. Als ob ich kein süßes, sexuell aktives Wesen wäre. Ich sitze hier ein bisschen geil herum, und man ignoriert mich einfach. Niemand kneift mir in den Hintern, wonach ich es uns Frauen natürlich schuldig wäre, dem Betreffenden eine zu scheuern, logisch. Niemand sagt: »Hat es eigentlich wehgetan, als du aus dem Himmel gefallen bist?«, wonach ich es uns Frauen natürlich schuldig wäre, dass ich den Betreffenden auslache, logisch. Niemand hier findet mich süß.
Ich seufze und mir wird klar, wie verwöhnt ich bin. Was für ein schreckliches, nach Aufmerksamkeit gierendes Wesen bin ich doch geworden. So sehr, dass ich es schon nicht mehr ertrage, wenn andere Menschen nicht mit einem sexuellen Unterton mit mir umgehen. Ich seufze noch mal und leere, wehmütig abwinkend, mein Glas Bier. Ich stehe auf und ziehe meinen Pulli glatt. Also gut. Mit wiegenden Hüften gehe ich auf ein Mädchen zu.
Hassliebe
I ch liege in seinen Armen. Ich spüre das Klischee, aber dieses eine Mal macht es mir nichts aus. Ich liege in seinen Armen und fühle mich wohl. Ich fühle mich geborgen, begehrt. Geliebt. Beschützt. Wie eine schnell anschwellende Welle strömt ein Gefühl von Wärme und Zuneigung durch meinen Körper. Ich will ihn, ich will ihn knuddeln, küssen, an mich drücken, ihm noch näher sein. Ich schlage beide Arme um ihn und drücke ihn fest an mich. Dann lasse ich los und seufze mit geschlossenen Augen. Heftig. In meinem Kopf montiere ich Bilder: seine Hand auf meiner Brust, mein Kopf auf seinem Bauch. Das Gefühl, am richtigen Ort zu sein, ist ganz stark. Ich will nur bei ihm sein.
Aber dann. Ein Wort, ein falsch verstandener Satz, eine falsche Bemerkung. Die Stimmung schlägt um. Wir lassen uns los und sehen uns an. Wir sagen genau die verkehrten Dinge, obwohl wir wissen, dass wir genau die Dinge sagen, die der andere nicht erträgt. Er behandelt mich von oben herab, ich mache eine Szene. Er lacht mich aus, ich äffe ihn nach. Erst haben wir uns nur ein bisschen ärgern wollen, jetzt sind wir stinksauer. Wir schaukeln uns gegenseitig hoch. Der eine sagt gar nichts mehr, der andere viel zu viel. Coolness und Hysterie kämpfen um die Herrschaft. Kälte und Zickigkeit prallen aufeinander. Wir rücken noch weiter voneinander ab.
Er lacht abfällig, ich fange an zu schreien. Ich sage gemeine Dinge und will ihn verletzen. Er verschließt sich noch weiter. Ich fange an zu heulen und kann es beinahe nicht fassen, dass das schon wieder passiert. Schon wieder. Ich sehe ihn an, und in diesem Moment will ich ihm am liebsten eine scheuern. Er treibt mich zum Äußersten. Ich will ihm diesen arroganten, gleichgültigen Blick aus dem Kopf rammen. Ich will ihm Schmerzen zufügen, er muss doch auch was fühlen. Ich merke, dass ich durchdrehe, ich will ihn erreichen, berühren, spüren, dass er da ist, dass es ihn nicht kaltlässt. Ich gebe ihm einen Schubs.
Die Rollen werden vertauscht: Er wird schrecklich böse, die Distanz ist jetzt unüberbrückbar. Ich gebe nach und entschuldige mich. Er reagiert nicht. Ich flehe ihn an, heule, klammere meine Finger melodramatisch in die Decke. Ich probiere alles, um es wiedergutzumachen, rücke näher, will seine Hand ergreifen. Er zieht sie weg. Ich versuche ihm entgegenzukommen und entschuldige mich für Dinge,
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