Lust auf Lust: Intime Geständnisse
heißt.
Man muss es als Hülle sehen. Packpapier wird ja auch immer zusammengeknüllt unter den Tisch geworfen. Deswegen kauft man ja auch keinen Originalstich von Paul Klee, um darin ein Geschenk einzuwickeln. Dessous sind die Hülle, die Schachtel, das Papier, der Überzug, die Schutzschicht, die Luftblasenverpackung - auch wenn die von ein paar unangenehmen Fanatikern viel zu wichtig genommen wird. Nicht das, worum es eigentlich geht, sondern das, was es ein bisschen bedeckt. Es ist ja ganz nett, da mal einen kurzen Blick drauf zu werfen, aber letztendlich will man doch lieber sehen, was drin ist.
Und dann bekam ich auf einmal ein Geschenk. Von einer Freundin. Einer Hardcore-Dessous-Gläubigen. Einer Angehörigen der spirituellen Elite der Dessouskirche. Ihre Schränke sind proppevoll mit Strings, Tops und BHs, aber auch Netzstrümpfen, Miedern und Strumpfbändern. Und sie hatte eine Mission. Sie wollte Heiden bekehren. Und sie hatte schweres Geschütz aufgefahren. Als ich das Geschenkpapier aufriss und wegwarf, enthüllte ich das schönste Packpapier für den menschlichen Körper, das ich je gesehen hatte. Korallenrot, mit Spitze besetzt, weich. Der klitzekleinste String aller Zeiten. Und das Herz ging mir über. Es war, als würde das ganze Zimmer auf einmal in Licht baden. Als würde das Rot mich rufen. Als ob der String leuchten würde. Ich hatte das Licht gesehen. Sofort zog ich mich um.
Den ganzen Abend gehe ich anders. Den ganzen Abend lache ich anders. Den ganzen Abend fühle ich mich anders. Ich gehe, lache und fühle nämlich wie jemand, der ein Geheimnis hat. Der etwas verbirgt. Der eine Überraschung in petto hat. Sexy und mysteriös. Kurzum, wie eine Frau, die unter ihren Kleidern ganz bewusst rote Dessous trägt.
Und ich hatte in meinen finsteren Jahren, in denen ich der höheren Unterwäscheweihen noch nicht teilhaftig geworden war, nie gedacht, dass das so einen Einfluss auf mich haben könnte. Das, was du einfach nur unter deinen Sachen trägst und das, ohne dass man es zeigt und ohne dass man es sieht, doch eine Wirkung hat.
Aber ich kann mich doch nicht richtig bekehren. Obwohl die Spitze mich verführerisch lockt, bringe ich es nicht übers Herz, den Schritt ganz zu vollziehen. Ich flirte mit dem Glauben, bleibe aber eine Nicht-Gläubige. Ich trage meine stierkampfgeeigneten roten Dessous zwar immer noch gerne. Aber ich kann mich nicht von meinen Mädchen-Boxershorts verabschieden (»Verbrennen! Verbrennen!«, höre ich die Dessous-Sekte in meinem Kopf fanatisch skandieren). Ich kann’s einfach nicht. Ich habe kein Geld, keine Geduld und kein Gespür dafür. Es bleibt also bei halben Sachen. Manchmal in zarteste Seide gehüllt und ein andermal von Kopf bis Fuß in die gute alte Baumwolle. Aber ach, wisst ihr was: Ich ziehe es ja sowieso wieder aus.
Eifersucht
I ch versuche, mich zwischen den Leuten hindurchschlängelnd, voranzukommen. Leider ist dieser Abschnitt der Gracht von einer dichten Menschenmenge verstopft. Ich nehme meinen Freund an der Hand und fange an, ein bisschen zu schieben. Es ist kalt, und ich halte mir mit der anderen Hand den Kragen zu, um meinen Hals vor dem Wind zu schützen. Als wir endlich durch sind, wird es etwas ruhiger. Zusammen gehen wir die Straße entlang. Ich will noch Einkäufe machen für Heiligostern, ein neues Familienfest, das auf eine merkwürdige und höchst überraschende Art Eier, Hasen, Geschenke und Lieder miteinander kombiniert. Mein Freund ist mitgekommen, um mich in der existentiellen Krise, die da Einkaufen heißt, seelisch zu unterstützen. Geschenke kaufen ist nämlich ein heikles Geschäft. Es sagt etwas darüber aus, wer du bist, wie du den andern siehst, und was du ihm oder ihr zu schenken bereit bist. Es soll nett, anspruchsvoll, nützlich und witzig sein. Oder anrührend, tiefsinnig und schön. Ich seufze. Die Zeit der Schokoladen-Hasen und -Weihnachtsmänner ist vorbei.
Plötzlich bleibt mein Freund wie angewurzelt stehen und läuft dann begeistert weg. Er rudert mit den Armen und stößt dazu fröhliche Urlaute aus. Ich bleibe verdattert zurück und begreife allmählich, dass diese kindliche Begeisterung durch irgendeine blonde Tussi ausgelöst wurde, die er gerade entdeckt hat. Ich gehe ihm langsam hinterher, während er die blonde Tussi umarmt. Sie guckt auch so, als hätte sie gerade ein langes Wochenende mit Brad Pitt in einer Traumvilla gewonnen. Völlig ekstatisch. Ich halte mich ein bisschen im Hintergrund und höre ihr
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