Lust auf Lust: Intime Geständnisse
Gespräch mit. Es besteht aus einer Menge gedehnter Vokale, einem Haufen mir völlig unverständlicher Witze, die aber bei ihnen vor lauter Lachen eine Art Asthmaanfall auslösen, und einem intensiven Austausch ihrer kurzgefassten Lebensgeschichten. Und ganz viel gegenseitigem Anfassen. Einer beiläufig auf den Arm gelegten Hand. Einem wohlwollenden Klaps auf die Schulter. Einer flüchtigen Berührung mit dem Finger auf der Hand des anderen. Ich gucke hin. Ich höre zu. Und fühle mich schrecklich. Wut flammt in mir auf. Wer ist dieser Troll, dieses Ungeheuer mit dem widerlichen Schlampenkopf, diese dumme blonde Kuh? Und warum lacht er mit ihr, warum redet er mit ihr, warum fasst er sie an? Ich spüre eine Art stechenden, nagenden Schmerz. Ich bekomme ein heimtückisches und böses Gefühl, wie eine Katze, der irgendjemand auf den Schwanz getreten hat und die jetzt in aller Stille darauf wartet, zurückschlagen zu können.
»Sag mal, wer war denn das?« Mein katzengleiches Schnurren klingt dabei vielleicht ein bisschen zu aufgesetzt.
»Einfach so, eine Freundin von früher.«
Aha. Eine Freundin von früher. Jetzt ist Selbstbeherrschung angesagt. Zeig, dass dich das überhaupt nicht interessiert. Dass es dir gar nichts ausmacht. Dass das natürlich schön für ihn ist. Dass es völlig okay ist. Prima. Dass er nur kurz mal mit einer Freundin quatscht. Einer sehr hässlichen Freundin zwar. Aber im Grunde ist das okay. Dass er sich so aufplustert wegen einer sehr hässlichen und obendrein dicken Freundin. Okay. Dass er anfängt, zu sabbern und sich einfach lächerlich benimmt wegen einer hässlichen, dicken und strohdummen Freundin. Die außerdem eine lächerliche Hose anhat. Beherrsch dich, Renske. Beherrsch dich. Ganz ruhig weiterfragen.
»Woher kennst du sie?« Gute Frage. Logisch. Beherrscht.
»Aus der Schule.«
»Hast du mit ihr gevögelt?« Aua. Mist. Heftig und unbeherrscht spucke ich die Frage aus, ihm beinahe buchstäblich ins Gesicht. Meine Wangen glühen, und ich fange an, mich zu verfluchen, dass ich mich so gehen lasse, dass ich mich so verrate. Aber jetzt kann ich nicht mehr aufhören. Meine Stimme klingt verkrampft und piepsig vor zurückgehaltener Wut. Ich bin mir völlig bewusst, was ich da für eine Szene mache, wie blöd ich mich anstelle, wie lächerlich ich mich aufführe. Aber der Stich, den ich gespürt habe, als ich sah, dass er auch mit anderen redet, dass er auch mit anderen lacht, dass er auch andere anfassen kann, der saß. Dass seine Blicke doch nicht exklusiv für mich bestimmt sind, dass sie auch auf andere geworfen werden können.
Erhitzt und aufgeregt stehe ich jetzt vor ihm. Ich fühle mich falsch, verdorben und allein. Aber ich kann nichts dagegen tun. Das Gefühl ist stärker als die Vernunft. Das Herz besiegt den Kopf. »Und?« Selbst ich kriege mit, wie schrill ich mich anhöre.
Mein Freund kommt einen Schritt näher. »Liebling, wie kommst du denn darauf? Wir waren bloß befreundet.« Er legt seinen Arm um mich. Das beruhigt mich, und ich rege mich etwas ab. Ich lache blöde und entschuldige mich für meine übertriebene Reaktion. Er streichelt mir über den Kopf, so wie man das bei einem braven, schuldbewussten Hund macht. Dann radelt die Frau an uns vorbei. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie mein Freund ihr mit einer Handbewegung irgendwas zu verstehen gibt. Eine »Wir telefonieren«-Geste? Meine Augen verengen sich.
Orgie
I ch sitze auf dem Boden. Ich bin sauer. Vor mir sitzt jemand Nacktes. Neben mir sitzt jemand Nacktes. Ich bin auch ein bisschen nackt. Und mir reicht’s. Mit verschränkten Armen stehe ich auf und setze mich aufs Sofa. Mit Ekel und Grausen starre ich auf den Pulk sich durcheinanderwälzender nackter Menschen vor mir. Es sind alles jeder für sich nette, liebe Menschen, die ich kenne. Aber sie sollen verdammt noch mal die Finger von mir lassen. Ich weiche hastig aus, als eine Hand nach mir grabscht und mich beinahe erwischt.
Die Laute, die das Ungeheuer mit den vielen Gliedmaßen von sich gibt, sind unerträglich. Ich seufze genervt und blicke auf meine Fingernägel. Ich sehe ein kleines Stück losen Nagel. Ich beiße drauf. Jemand stöhnt. Ich reiß ein bisschen ab. Ich höre Gekeuche. Ich packe es fester, beiße und reiße es ab. Ich höre Geheule. Ich betrachte andächtig die Struktur meines Fingernagels. Jetzt höre ich Gestöhn, Gekeuche und Geheul gleichzeitig, alles durcheinander. Ich seufze wieder und gucke böse auf die Menschen, die auf dem
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