Lust auf Lust: Intime Geständnisse
nahe: »Rens?«
Schnell mache ich die Augen auf, und im selben Moment wird mit einem heftigen Ruck der Duschvorhang aufgezogen. Erschrocken gucke ich direkt in das Gesicht meiner Mutter. Sie sieht mich eine Nanosekunde lang an - für sie lange genug, um zu sehen, was hier los ist - und macht dann ganz schnell den Vorhang wieder zu. Ich komme so schnell wie möglich wieder auf die Beine, rutsche beinahe aus und stecke den Duschkopf zitternd wieder an seinen Platz zurück. Unter dem warmen Strahl fühle ich mein ganzes Gesicht glühen. Ich schäme mich in Grund und Boden. Ich steige aus der Dusche, und in einen großen Bademantel gehüllt, gehe ich schnell durchs Badezimmer, den Kopf gesenkt, dem Blick meiner Mutter ausweichend. Gott sei dank wurde darüber nie wieder gesprochen.
Irgendwann wird einem klar, dass die eigenen Eltern Sex haben. Das ist eine schreckliche, beängstigende und gigantische Erkenntnis, aber irgendwann kommt sie. Bis zu diesem Tag waren wir alle geschlechtslose Wesen. Bambis auf einer Wiese, Kinder im Schnabel des Storchs. Nach diesem Tag liegt ein perverser Dunst über diesem Bild. Die Erkenntnis wächst, und du begreifst, dass sie es vielleicht nicht nur dieses einzige, dringend notwendige Mal miteinander getan haben, um dich zu kriegen, sondern noch öfter. Und dass sie es immer noch tun.
Auch für die Eltern kommt einmal die Stunde der Wahrheit. Der Tag, an dem ihnen klar wird, dass ihre Kinder Sex haben. Der Tag, an dem ihre Kinder von einem unschuldigen Lämmchen zu einem schambehaarten Teenager mutieren. Von süßen Kinderträumen zu heißen feuchten Träumen. Von einer Puppe in der Schublade zum Dildo im Schrank. Von der Snoopy-Socke zur Wichssocke. Von Tim und Struppi zu Leidenschaft. Vom Ballon zum Kondom. Das ist kein einfacher Prozess. Es ist ein unausgesprochenes, schlummerndes Wissen, eine stillschweigende gegenseitige Erkenntnis. Jeder weiß es, aber niemand spricht es aus. Zwischen Eltern und Kind. Zwischen Kind und Eltern.
Und deswegen probiere ich mit aller Kraft, mein Sexleben beim Zusammenleben mit meinen Eltern außen vor zu lassen. Ich probiere, Bambi zu bleiben, ein sexloses Wesen, ein Pflänzchen. Das geht meistens ganz gut. Jungs übernachten zwar schon mal bei mir, aber das ist oben, da kommen die Eltern nicht hin. Aber dann darf sich auch kein Junge in knackigen Boxershorts fröhlich an den Frühstückstisch setzen. Solche Szenen vermischen die beiden Weltbilder zu sehr. Sie sind zu offenkundig, zu deutlich, zu aufdringlich. Es darf nicht erkennbar sein, dass ich Sex habe. Schon das nicht. Aber was unter allen Umständen verborgen bleiben muss, ist der ausgefallene Sex. Mit wem, wie viel und mit welchem Geschlecht. Weil ich für meine Eltern brav bleiben will. Unschuldig. Eine gute, keusche Nonne. Ihr kleines Mädchen. Sie wissen zwar Bescheid, aber wir spielen uns gegenseitig was vor.
Manchmal gibt es sie dann doch. Die Situation, in der beide Seiten nicht mehr so tun können als ob. Die sich durch nichts mehr kaschieren lässt. Das ultimative Aufeinanderprallen der Weltbilder.
Ich lag mit einem Jungen im Bett. Es war morgens. Wir waren gerade sehr beschäftigt, alberten herum und waren überhaupt nicht angezogen. Plötzlich geht das Licht im Flur an und die Tür auf. In der Türöffnung steht mein Vater. Er hat nur eine Unterhose an und das Telefon in der Hand, wahrscheinlich für mich. Mit einem erschrockenen Blick auf uns macht er sofort einen Schritt zurück, raus aus dem Zimmer. Es war das erste Mal, dass er den betreffenden Jungen sah. Wie vom Blitz getroffene Hamster liegen wir stocksteif da. Eine Sekunde später höre ich meinen Vater von der Treppe aus nach oben rufen, mit einem Lachen in der Stimme: »Ist es nicht ein bisschen früh für eine Runde Twister, Kinder?«
Der Junge und ich entspannen uns und lachen. Ein bisschen gequält, das schon.
Männer
I n Japan wurde über die Entbehrlichkeit des männlichen Geschlechts geforscht. Die ist total überwältigend. Zwei Mäuseweibchen haben nämlich ohne die Hilfe eines Mäusemännchens ein Kind der Liebe bekommen. Zwar musste dabei schon ein bisschen mit Hormonen herumgebastelt werden, aber sie haben es hingekriegt. Der Mann kann aussterben. Wir brauchen ihn nicht mehr.
Wie würde das aussehen, eine Welt ohne Männer? Was würde schiefgehen? Und was wird uns fehlen? Zunächst einmal müssten wir natürlich mindestens einen virilen Mann zurückbehalten, der dann die ganze Zeit in einem
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