Lust kennt kein Tabu
zurückgekommen?“, fragte er.
„Nein, sie lebt immer noch in Kalifornien, oder wohin immer sie gezogen ist. Ich finde es einfacher, Tabitha aus meinen Gedanken zu verbannen, und ich möchte nicht über sie reden.“
„Okay, das müssen wir nicht.“
„Aber es war lieb von dir, nach ihr zu fragen“, versicherte sie hastig.
„Es tat mir einfach nur leid, dass du sie ebenfalls verloren hast.“
Hinter Ziennas Lidern brannten neue Tränen. Er verstand sie. Wirklich. Jetzt gab es keinen Zweifel mehr – ihre einstigen Gefühle für Wendell flammten wieder auf.
„Keine Ahnung, was Nick sich gedacht hat“, fügte er hinzu. „Sobald ich herausgefunden hatte, wo du bist, bin ich sofort zum Friedhof gefahren. Vorher habe ich im Restaurant angerufen. Da erklärte mir ein Kellner, der Boss sei mit wichtigen Gästen beschäftigt. Deshalb wusste ich’s, er konnte nicht mit dir zum Friedhof gefahren sein.“
In seinen Augen las sie echte Zuneigung, diesmal keine Lust. „Ich will nicht an Nicholas denken.“
„Erzähl mir was Nettes über deine Eltern“, bat Wendell
Sie überlegte, dann lächelte sie wehmütig. „Jeden Sonntagvormittag gingen wir nach der Kirche zum Brunch in ein Restaurant. Meine Mom war froh, weil sie sich nicht am Herd abrackern musste, und witzelte, der Sonntag wäre der einzige Tag, an dem sie Freigang aus dem Knast hätte. Wir amüsierten uns immer großartig. Mein Dad blödelte, was das Zeug hielt, und kitzelte meine Schwester und mich. So fröhlich waren wir, so übermütig …“
Bei dieser Erinnerung lachte sie leise, und da merkte sie, dass Wendell genau das bezweckt hatte. Sie küsste ihn auf die Wange und schmiegte sich an ihn. Schweigend saßen sie sehr lange beisammen und hielten einander fest.
Und in Wendells Armen fand Zienna ein bisschen inneren Frieden – ausgerechnet an diesem besonderen Tag, der ihr in den letzten Jahren immer nur schmerzlichen Kummer bereitet hatte.
23. KAPITEL
Als Wendell vorschlug, er würde Zienna vom Friedhof aus zu ihrem Apartment folgen, protestierte sie nicht.
„Nicht um dich ins Bett zu kriegen“, beteuerte er. „Aber heute darfst du nicht allein sein. Ich mache dir was zu essen und bleibe eine Weile bei dir.“
Sie nickte. „Okay, das wäre wunderbar.“
Obwohl sie ihm erklärt hatte, sie könnten sich nicht mehr sehen, empfand sie keine Schuldgefühle, weil sie den Abend mit ihm verbringen würde. An diesem Tag war er der Freund, den sie brauchte. Und Nicholas hatte sie vernachlässigt.
Sie fuhr vor ihm nach Hause und lenkte ihr Auto zum Stellplatz hinter der Zufahrt. Während Wendell eine freie Parklücke suchte, wartete Zienna auf dem Bürgersteig. Etwa dreißig Schritte vom Apartmentblock entfernt fand er einen Parkplatz, joggte zu ihr und legte einen Arm um ihre Taille.
Auf dem Weg in das Gebäude sprachen sie nicht. Zienna genoss es einfach nur, Wendells Nähe zu spüren.
„Sag mir, was du essen willst, und ich mach es dir“, versprach er ihr auf der Treppe.
„Dass du ein Koch bist, wusste ich gar nicht.“
„Kein Sternekoch wie Nick. Aber ich finde mich in einer Küche zurecht.Vergiss nicht, ich habe in Texas ein Restaurant betrieben.“
„Ja, das stimmt.“ Als Nicholas davon erzählt hatte, war sie nicht interessiert gewesen. „Im Kühlschrank ist nicht viel“, fügte sie hinzu, sperrte die Tür des Apartments auf und betrat den Flur. „Aber ich erwarte auch gar nicht, dass du für mich kochst. Bestellen wir was und …“
Mitten in der Bewegung erstarrte sie. Keine zehn Schritte entfernt, saß Nicholas auf dem Sofa.
„Oh, mein Gott!“ In Ziennas Kopf drehte sich alles. „Nicholas, was – was machst du hier?“, stotterte sie schockiert und verlegen. „Wie bist du hereingekommen?“
Mit wutverzerrtem Gesicht starrte er sie an. „Sobald ich dir sage, ich könnte dich nicht zum Friedhof begleiten, rufst du Wendell an“, stieß er hervor, ohne ihre Frage zu beantworten. „Allzu lange wartest du nicht, um dich zu trösten.“
„So war es nicht …“
„Zee hat jemanden gebraucht“, erklärte Wendell. „Als ich herausfand, dass du nicht bei ihr warst, wollte ich ihr beistehen.“
„Wie verdammt nett von dir!“, stieß Nicholas hervor, sprang auf und schleuderte den Blumenstrauß, den er umklammert hatte, wütend zu Boden. „Natürlich hast du mir deinen tückischen Plan verschwiegen.“
Zienna zuckte zusammen. Dann legte sie ihre Handtasche und den Schlüsselbund auf das Wandtischchen im Flur
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