Lust kennt kein Tabu
wäre wundervoll. Aber dass du meinetwegen krank feierst …“
„Genau das habe ich vor. Und versuch bloß nicht, mich umzustimmen! Den Mittwoch nehme ich mir ohnehin frei, weil das der Todestag meiner Eltern ist. Also kann ich ebenso gut schon morgen fehlen.“
Lächelnd öffnete Alexis ihre Tür. „Wenn du drauf bestehst …“
„Oh ja.“
Arm in Arm betraten sie den Flur.
22. KAPITEL
Am nächsten Tag telefonierte Zienna mit Nicholas und erzählte ihm von Alexis’ „Unfall“.
Um das Vertrauen ihrer Freundin nicht zu missbrauchen, erklärte sie, Alex sei im Fitnesscenter von einer Hantel getroffen worden, die jemand geschwungen habe. Nicholas’ Stimme klang freundlich und liebevoll. Zum Glück waren die Streitigkeiten beigelegt. Er zeigte sich besorgt um Alexis und schickte sogar Essen aus seinem Restaurant zum Loft, damit die beiden Freundinnen nicht kochen mussten. Zweimal rief er Zienna an, erkundigte sich nach dem Stand der Dinge und sandte ihr mehrere SMS.
Schließlich entschied sie, zwischen ihnen wäre alles in bester Ordnung, und führte sein erschreckendes Verhalten am Montag auf seinen Stress zurück. Oder auf seine Angst, sie zu verlieren. Wenn er auch nichts von ihrer Affäre mit Wendell wusste – womöglich ermahnte ihn ein sechster Sinn zur Vorsicht. Und durfte sie ihm sein Misstrauen verübeln?
Sie wusste ja, dass sie ihn betrogen hatte, und es fiel ihr schwer, seine zu Unrecht verdächtigte Freundin zu mimen. Nachdem sie mit Wendell Schluss gemacht hatte, neigte sie immer mehr dazu, Nicholas dieWahrheit zu gestehen – in der Hoffnung, er würde ihr verzeihen.
Am Mittwochmorgen fuhr sie nach Hause, von tiefer Trauer um ihre Eltern erfüllt, die sie vor zehn Jahren verloren hatte. Kurz vor halb zwölf rief sie Nicholas an, weil sie ihm mitteilen wollte, wann sie zum Friedhof fahren würde. Das hatte sie schon vor Wochen erwähnt. Er hatte ihr versichert, er würde sie begleiten. Um ihn daran zu erinnern, hatte sie ihm am letzten Abend eine SMS geschickt.
„Hey, Darling“, begann sie, „ich möchte dir nur sagen, dass ich kurz nach zwei Uhr zum Friedhof fahre. Dann hast du den Lunch-Trubel hinter dir und kannst vor der Ankunft deiner ersten Dinnergäste zurück sein.“
„O Baby!“, stöhnte Nicholas. „Tut mir furchtbar leid. Ich weiß, ich habe versprochen, ich würde dir an diesem schweren Tag beistehen. Aber im Moment ist es wirklich ungünstig. Mit meinen beiden Restaurants habe ich alle Hände voll zu tun. Heute erwarte ich einige Lieferungen. Und am Nachmittag halten die Besitzer des Eishockeyteams ‚Chicago Blackhawks’ ein Meeting bei mir ab. Da darf ich nicht einfach verschwinden.“
„Oh“, antwortete sie tonlos, von bitterer Enttäuschung erfasst.
„Jetzt bist du mir böse.“
„Nun …“ Zienna zögerte. „Vor allem bin ich enttäuscht. Ich dachte … ich hatte gehofft, du würdest mit mir kommen. Aber schon gut – ich verstehe, dass du mit deinen Restaurant pausenlos beschäftigt bist.“
„Ich wollte wirklich für dich da sein“, beteuerte er. So, wie seine Stimme klang, schien er eine gewisse Reue zu empfinden. „Wenn es ein anderer Tag wäre …“
Würde es anders sein, wenn der Jahrestag morgen oder nächste Woche wäre?
„Alexis wird dich doch begleiten?“, fragte er.
„Ja“, log sie leise. Darum würde sie ihre Freundin nicht bitten, die sich immer noch von Brocks Attacke erholen musste. An diesem besonderen Tag hatte Zienna sich gewünscht, Nicholas wäre an ihrer Seite – der Mann, den sie liebte.
„Ständig hilfst du ihr. Also wird sie auch mal was für dich tun.“
„Ja“, wiederholte Zienna. Ließ er sie wegen des Streits am Montagabend im Stich? Ärgerte er sich immer noch über sie?
„Ruf mich nachher an und erzähl mir, wie es war.“
Was gab es da zu erzählen? Es würde sehr schlimm und schmerzlich sein. Deshalb hätte sie seine emotionale Unterstützung gebraucht.
„Okay, bis dann, Nicholas. Jetzt muss ich losfahren und die Blumen für das Grab abholen.“
„Tu mir einen Gefallen.“
„Welchen?“
„Versprich mir, Alexis auf den Friedhof mitzunehmen. Für mich wäre es schrecklich, wenn du dort allein wärst.“
Deshalb habe ich dich um deinen Beistand gebeten . Doch das sprach sein nicht aus und erwiderte stattdessen: „Natürlich.“
Zienna rief Alexis nicht an, kaufte das Gesteck, das sie für ihre Eltern bestellt hatte, und fuhr allein zum Friedhof.
Zehn Jahre. Eine lange Zeit. Trotzdem hatte sie
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