Lust kennt kein Tabu
nicht meldete, wählte Zienna die Handynummer ein zweites Mal, wieder ohne Erfolg. Dies war Alexis’ erster Arbeitstag seit ihrem Aufenthalt in der Notaufnahme. Wahrscheinlich wollte sie deshalb keine privaten Anrufe entgegennehmen.
Und so kehrte Zienna ins Northwestern Memorial Hospital zurück. Bevor sie Nicholas aufsuchte, aß sie ein Sandwich in der Cafeteria. Sie wusste, sie würde eine Stärkung brauchen.
Sobald sie das Krankenzimmer betrat, streckte Nicholas ihr lächelnd eine Hand entgegen. „Ich bin so froh, dass du wieder da bist.“
„Wie fühlst du dich?“
„Miserabel. Als wäre ein Laster über mich hinweggerollt.“ Er stöhnte schmerzlich. „Vorhin hörte ich, die Detectives hätten Wendell noch immer nicht erreicht. Wahrscheinlich ist er auf der Flucht. Bitte, sei vorsichtig!“
„Ja, natürlich.“
„Wenn er Kontakt mit dir aufnimmt, darfst du ihm nicht trauen und musst sofort die Polizei verständigen. Für mich ist es sehr wichtig, dich in Sicherheit zu wissen.“
Nur eine Sekunde lang zögerte sie, bevor sie nickte. „Okay.“
„Wenn dir etwas zustieße – das würde ich nicht verkraften.“
Weil er absichtlich lügt, um mich hinter Gitter zu bringen…
„Glaubst du etwa, Wendell würde mich verletzen?“
„Liege ich hier oder nicht? Niemals hätte ich vermutet, er würde versuchen mich zu töten. Und er ist stocksauer auf dich…“
Nicholas drückte ihre Hand. „Jedes Mal, wenn ich die Augen schließe, sehe ich ihn mit dem Messer auf mich zustürzen, den wilden Zorn in seinem Blick. Niemals hätte ich gedacht, er würde es tatsächlich tun, und ich sagte sogar: ‘He, Kumpel, was treibst du denn? Wir sind doch Freunde.’ Aber es war sinnlos. Mit aller Kraft bohrte er die Klinge in meinen Bauch und schrie, ich müsse sterben.“
Zitternd rang er nach Luft, kniff die Lider zusammen, und als er sie wieder hob, rannen Tränen über seine Wangen. „Bitte, Baby, lass dich nicht von ihm täuschen. Ruf die Polizei an, sobald er sich bei dir meldet. Versprich es mir! Erst wenn er im Gefängnis sitzt, werde ich mich nicht mehr um dich sorgen.“
Zienna nickte und wischte seine Tränen weg. „Okay, Darling, ich hab’s verstanden.“
„Gut. Denn wenn dir etwas passiert, würde ich sterben.“
„Das meinst du nicht ernst.“
„Doch!“, beteuerte er. „Völlig ernst. Wenn Wendell dich mir wieder wegnimmt, will ich nicht weiterleben.“
Beruhigend lächelte sie ihn an und hoffte, es würde ihm entgehen, dass sie ihm das gewünschte Versprechen nicht gegeben hatte.
27. KAPITEL
„Was sagt dein Instinkt?“, fragte Alexis am nächsten Abend.
Die beiden Freundinnen saßen in der Cafeteria des Krankenhauses. An diesem Tag hatte Zienna einige Zeit daheim verbracht, weil Nicholas’ Eltern und seine Schwester aus Kansas City angereist waren. Die Ärzte hatten die Verwandten über die Situation informiert. Nach einer etwas peinlichen ersten Begegnung hatte Zienna sie mit dem Patienten allein gelassen – nicht allzu lange, denn Nicholas wollte sie stets an seiner Seite haben.
„Mein Instinkt?“ Durfte Zienna ihrem Instinkt trauen? „Nun, ich erwartenicht, dass Wendell in alle Welt ‘Hey, klar, Ich hab’s getan’ hinausposaunen wird. Aber die Fakten lügen nicht. Nicholas wurde nach einer grausamen Attacke in die Klinik gebracht.“
„Aber Wendell behauptet steif und fest, er sei nicht der Täter.“
„Wie gesagt, ich erwarte kein Geständnis. Einen Mordversuch an seinem Freund wird er wohl kaum zugeben.“
Skeptisch schüttelte Alexis den Kopf. „Also, ich weiß nicht recht … Vielleicht leidet Nicholas an einem partiellen Gedächtnisverlust, und er erinnert sich an die Keilerei in deinem Apartment. Was in seinem Haus geschah, hat er womöglich vergessen.“
„Niemand würde das lieber glauben als ich“, seufzte Zienna. „Aber Nicholas war nicht verwirrt, und ich muss akzeptieren, was er sagt.“
„Weil du dich schuldig fühlst?“
„Wie, bitte?“
„Nicholas wurde fast umgebracht. Seither bist du nur kurzfristig von seiner Seite gewichen. Du bist wieder seine treu sorgende Lebensgefährtin. Nun frage ich mich – warum bleibst du bei ihm? Weil du es willst? Oder weil dich dein Gewissen plagt?“
„Ich wollte immer bei ihm bleiben“, erwiderte Zienna irritiert. „Von Anfang an dachte ich, er wäre genau der Richtige für mich. Dann kam Wendell zurück und brachte mich durcheinander. Das weißt du, Alex. Oh, verdammt …“
„Noch was weiß ich.
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