Lust kennt kein Tabu
was Wendell angeht. Dafür lasse ich mich doch gern niederstechen.“
„Sag das nicht!“ Zienna wollte sich nicht vorstellen, bei der grausigen Tat wäre etwas Gutes herausgekommen.
Erkannte sie Wendells wahres Wesen erst jetzt? Hatte er sie die ganze Zeit getäuscht?
Rohe Gewalt? Ein Mordversuch? Ihretwegen? Unfassbar …
Plötzlich kehrten ihre Gedanken zu jenem Tag zurück, an dem er vor dem Reha-Center auf sie gewartet hatte. Sie hatte ihm von Donald erzählt, dem wütenden Patienten, und seiner Drohung, vor Gericht zu gehen.
Wenn du willst, verprügle ich ihn.
Bei diesem Angebot hatte Wendell gegrinst. War es wirklich nur ein Scherz gewesen? Besaß er üble Charakterzüge, von denen sie nichts geahnt hatte?
„Woran denkst du, Baby?“, unterbrach Nicholas ihre Überlegungen,
„Oh … Nur dass ich so glücklich bin, weil du gesund wirst.“
„Bleibst du heute Nacht bei mir? Du könntest hier schlafen, man würde ein Klappbett für dich aufstellen. Vorhin habe ich der Oberschwester erklärt, du wärst meine Verlobte und ich hätte dich gern in meiner Nähe.“
Seine Verlobte … Das Wort bereitete ihr ein leichtes Unbehagen. Gewiss, sie hatte sich für eine Zukunft mit Nicholas entschieden. Trotzdem störte sie seine Neigung, alles kontrollieren zu wollen.
Natürlich fühlte sie sich nicht glücklich, nachdem Wendell ihn fast umgebracht hätte. Kain und Abel. Das hatte Nicholas gesagt. Rasende Eifersucht zwischen zwei Freunden, die so eng wie Brüder verbunden gewesen waren, hatte zu einem Mordanschlag geführt.
Die qualvollen Selbstvorwürfe lasteten immer noch auf ihrer Seele, obwohl Alexis ihr mehrmals versichert hatte, dafür gebe es keinen Grund. „Wenn sie so brutal übereinander hergefallen sind, kann die Freundschaft nicht so eng gewesen sein“, hatte sie betont. „Offenbar war die Rivalität stärker. Früher oder später musste so was passieren.“
Vielleicht stimmte das, denn Nicholas hatte mehrmals die zahlreichen Konkurrenzkämpfe erwähnt.
Wie auch immer – Zienna wollte das alles verstehen, und es drängte sie, die Wahrheit aus erster Hand zu erfahren, Wendell anzuschreien, eine Erklärung zu erzwingen. Nicht nur für seine Attacke auf Nicholas, auch für den Grund, warum er ihr erneut so wehgetan hatte.
Andererseits spürte sie, dass ein Gespräch mit ihm nichts Gutes bewirken würde. Zweifellos war es besser, Wendell endgültig zu vergessen.
„Ja, ich übernachte sehr gern bei dir.“ Lächelnd schaute sie in Nicholas’ Augen. „Am besten hole ich vorher ein paar Sachen aus deinem Haus, die du vielleicht brauchst. Auch bei mir daheim müsste ich einiges erledigen. Dann komme ich sofort zurück.“
Am späteren Vormittag erschien die Polizei im Krankenzimmer, um Nicholas zu vernehmen. Auch Zienna wurde wieder befragt.
Da Nicholas das Dreiecksverhältnis zwischen Wendell, Zienna und sich selbst erwähnte, wollten die Detectives Einzelheiten von ihr erfahren.
In welcher Beziehung stand sie zu Wendell? Hatte er Nicholas schon vorher attackiert? Was genau mochte an dem Abend der Messerattacke geschehen sein?
„Das weiß ich wirklich nicht“, versicherte Zienna. „Als es passierte, warich noch nicht im Haus. Tagelang hatte ich nichts von Wendell gehört, er rief nicht an, um Nicholas oder mich zu bedrohen. Ich kann Ihnen nur von dem Kampf der beiden erzählen, der eine knappe Woche vorher in meinem Apartment stattgefunden hat. Ja, sie gingen mit Fäusten aufeinander los. Aber ich konnte nicht ahnen, welches erschreckendes Ausmaß der Streit annehmen würde.“
Danach sprach die Polizistin, Detective D’Alessandro, unter vier Augen mit ihr, wobei die heikleren Fakten erörtert wurden. Zienna glaubte, dass Detective Ford hoffte, sie würde sich in der Gesellschaft einer Frau wohler fühlen und ihr etwas mehr über das komplexe Verhältnis mit zwei Männern anvertrauen.
Obwohl die Polizistin keinerlei Vorurteile erkennen ließ, war es Zienna furchtbar peinlich, über das Thema zu reden und ihre Untreue zu gestehen. Auf professioneller Ebene wollte die Polizistin sich einfach nur über Wendell informieren, auf persönlicher würde die Frau – die einen Ehering trug – die Zeugin zweifellos verachten.
Aber niemand konnte Ziennas Seelenqualen noch verstärken, sie fühlte sich ohnehin schon elend genug. Zwischen zwei Männern war sie hin und hergerissen worden, und einer hatte den Preis für ihre Sünden beinahe mit seinem Leben bezahlt.
Mit Anfang dreißig hatte sie
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