Lust und Gefahr
Bankrotts gestanden, als Max vor sieben Jahren vollkommen unerwartet die Zügel übernommen hatte. Im Alleingang hatte er das Blatt gewendet und die Firma von Grund auf neu strukturiert. Sie schuldeten eigentlich ihm ein wohlwollendes Nicken. Vor allem sein Halbbruder. Max strich über die Narbe über seinem linken Auge. Die Schuldgefühle, die ihn wegen Stefans Tod geplagt hatten, waren während der gerichtlichen Auseinandersetzungen verschwunden, die um das Vermögen seines Bruders entbrannt waren. Stefan hatte ihrem Vater nachgeeifert – leider vor allem, was dessen schlechte Seiten betraf. Und dazu hatte auch gehört, dass er im wahrsten Sinne des Wortes in jedem Hafen eine andere Frau gehabt hatte – und zu Hause eine Ehefrau, die von alldem nichts geahnt hatte. Wenn Max etwas besser gelaunt und etwas wohlwollender gestimmt gewesen wäre, hätte er Ellie bedauert. Doch es war schließlich nicht so, als hätte er sie nicht gewarnt. Du heiratest den falschen Mann …
Er fühlte sich rastlos und nahm seinen Drink mit nach draußen auf den Balkon. Das Hochhaus bot einen Ausblick auf die funkelnden Lichter des Bostoner Hafens. Für gewöhnlich genoss er diese Aussicht. Doch heute Abend war es der Horizont, der seine Aufmerksamkeit fesselte. Unablässig zuckten heftige Blitze hinter kilometerhohen Gewitterwolken – ein kleiner Vorgeschmack auf einen Sturm, der sich über dem Meer zusammenbraute. Die drückend heiße Julinacht, perfekt für das drohende Unwetter, spiegelte genau seine Stimmung wider.
Der Tag war anstrengend gewesen, sein Transatlantikflug der reinste Marathon von unerfreulichen Geschäftstelefonaten und Videokonferenzen. Alles, was schiefgehen konnte, war schiefgegangen. Begonnen hatte es damit, dass in letzter Minute Neuverhandlungen wegen einer wichtigen Fusion anberaumt worden waren, die dringend benötigtes Kapital in Max’ Kassen gespült hätte. Eigentlich hatte dadurch DSIs Topposition auf dem globalen Schifffahrtsmarkt untermauert werden sollen. Aber der Deal war gescheitert, als Haru Mizuno, der Besitzer eines japanischen ReedereiKonglomerates, plötzlich versucht hatte, aus den Verhandlungen auszusteigen. Er hatte persönliche Gründe vorgeschoben.
Doch einige schnelle Recherchen von Max’ Leuten hatten ans Licht gebracht, was wirklich hinter Mizunos sogenannter Krise steckte: Spielschulden bei keinem Geringeren als Peter Fourakis, dem Besitzer einer konkurrierenden griechischen Reederei.
Das war nicht Fourakis’ erster Versuch gewesen, Max zu schwächen. Und es war auch nicht die schlimmste Attacke des Griechen gewesen.
Seit die Nachricht durchgesickert war, dass Ellie McMann DeLuca – von der Boulevardpresse als umwerfend schön, stinkreich und noch zu haben beschrieben – demnächst die volle Kontrolle über ihre beträchtlichen Anteile an DSI erhalten würde, kreiste Fourakis wie ein Geier über ihnen. Ein Foto, auf dem Ellie und Fourakis beim gemeinsamen Dinner zu sehen waren, hatte die Spekulationen über eine mögliche Romanze zwischen den beiden angeheizt. Es hatte Max Magenschmerzen verursacht. Genau wie die Geschichten, die besagten, dass Fourakis der Grund war, warum sie ihre Vereinbarung und die Zusammenarbeit mit Max nicht verlängern wollte. Zu wissen, dass solche Geschichten meist erfunden waren, half ihm nicht. Er war es gewohnt, seinen eigenen Namen in den Boulevardmagazinen zu lesen. Doch private Details über Ellies finanzielle Situation in solch billigen Schundblättern sehen zu müssen machte Max wütend. Vor allem angesichts der Sicherheitsanweisung, die er vor kurzem erhalten hatte …
Sein Blick verfinsterte sich, als er sich die Einzelheiten ins Gedächtnis rief. Laut des Berichtes wurde Ellie von einem Cyber-Stalker verfolgt. Erst kürzlich hatte sie ihn angezeigt, obwohl er sie schon seit Wochen belästigte. Seit Wochen. Diese Information machte Max noch immer zornig. Ein Teil von ihm wollte sie aus dem Bett zerren und sie schütteln, weil sie nicht umsichtiger gewesen war. Der andere Teil von ihm wurde hart.
Wieder konnte Max nicht verhindern, dass seine Gedanken zu der Frau im Gästezimmer am anderen Ende des Flures wanderten. Und zu den Dingen, die er wirklich gern mit ihr tun würde, wenn er sie aus dem Bett zerrte.
Er trank seinen Scotch aus und starrte zum Mond hinauf, der zwischen Wolkenfetzen hindurchfunkelte. Heute Abend, in einer solch gefährlichen Stimmung hierherzukommen war ein Fehler gewesen. Nicht, dass wegzubleiben eine denkbare
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