Lustig, lustig, tralalalala
Ehefrau ihm gestern genau dasselbe gesagt hat.
So etwas tut weh.
Aber mir hat auch so einiges wehgetan.
«Ach», ich nehme die Herzkette vom Nachttisch und werfe sie ihm zu. «Die brauche ich auch nicht mehr. Die kannst du einer anderen schenken.» Mittlerweile weiß ich nämlich, dass ich die Kette nur bekommen habe, weil sie Astrid nicht gefallen hat.
Clemens wird rot und dann wieder bleich. Und dann dreht er sich um und geht.
«Frohe Weihnachten!», rufe ich ihm hinterher, und: «Vergissnicht, den Schlüssel hierzulassen.» Das tut er dann auch. Als die Wohnungstür hinter ihm zufällt, fühle ich mich merkwürdig erleichtert.
Ein Jahr später.
«Auf dein Wohl.» Sybille und ich heben die Gläser, während Astrid die Kinder ins Bett bringt. Sie wohnt nun hier im Gästezimmer und ist Sybilles Nanny.
«Auf
dein
Wohl», ich nicke ihr zu.
«Was unser Ex wohl gerade macht?», sinniert meine Freundin vor sich hin.
«Das weiß ich nicht. Ehrlich gesagt, es interessiert mich auch nicht.»
«Ob er noch zu seinem Therapeuten geht?» Sybille kichert. «Das hat ihn hart getroffen, als nach mir und dir auch noch Astrid zu ihm meinte, dass ein Mann irgendwie anders gebaut sein sollte.»
Ich lehne mich zurück, trinke einen Schluck Merlot und denke über das vergangene Jahr nach.
Wie gut das war! Wie viele neue Leute ich kennengelernt habe. Wie oft ich unterwegs war. Wie ich wieder zu meinen alten Freunden und zu meiner Familie zurückgefunden habe. Einen neuen Mann gibt es noch nicht in meinem Leben, aber auch das wird noch kommen. Im Moment ist es gut so, wie es ist.
Natürlich war es fies von uns, Clemens auf diese Art und Weise einen Denkzettel zu verpassen. Aber seien wir doch mal ganz ehrlich: Hat er’s nicht verdient? Wäre er ehrlich zu uns allen gewesen, wir hätten bestimmt nicht so reagiert.
Aber das hat er nun davon.
Ich proste Sybille nochmal zu. «Frohe Weihnachten, meine Liebe. Schön, dass wir heute Abend zusammen sind.»
«Ist doch klar», lacht Sybille. «Es ist doch unser Jahrestag. Und außerdem ist Weihnachten doch das Fest der Liebe.»
Und wir lachen uns an.
PS: Den Artikel über Geliebte hab ich dann doch noch fertiggeschrieben. Und er ist
richtig
gut geworden.
Steffi von Wolff
kam in Hessen auf die Welt, wohnt aber nun schon lange in Hamburg. Manchmal fehlt ihr der Handkäs, aber man kann eben nicht alles haben. Sie hat lange Jahre beim Radio als Moderatorin, Redakteurin und Comedy-Autorin gearbeitet. Letzteres tut sie ja auch heute noch – nur eben nicht mehr fürs Radio.
Oliver Uschmann
Die Vorweihnachtsneurose
I ch sortiere Schrauben. Es ist nicht die dringendste aller Tätigkeiten, aber sie muss gemacht werden, genau wie all die anderen Dinge gemacht werden müssen und die Reihenfolge letzten Endes egal ist, solange ich nur jeden Augenblick handle. Heute Morgen von fünf bis sieben habe ich die Glasregalböden in den Küchenschränken gewischt und dazu Bauleuchten eingeschaltet, statt auf das Tageslicht zu warten. Danach katalogisierte ich die Pulverdosen und Gewürztütchen im Schrank und machte eine Inventur der Tiefkühltruhe.
«Mrrhaawou», brummt es vor der Garagentür, und ein großer, weißhaariger Mann verschränkt die Arme vor der Brust. Das leise, unverständliche Dröhnen, das seinem Leib entwichen ist, war ein «Hallo». Der Mann heißt Hermann Wantrup und ist Urwestfale, kein Zugezogener wie ich und zudem dreißig Jahre älter. Ihm gehören die Grundstücke südlich, westlich und nördlich von uns sowie zwei Dutzend weitere im Dorf. Es wäre eine Herabstufung seines Status, würde er mich mit einem verständlichen Wort begrüßen. Ich nicke bloß und überlege, wo ich die zwei Sechskantschrauben einsortieren soll.
«Na? Ist dir die Frau weggelaufen?», brummt Hermann.
Ich drehe mich ein wenig um, folge seinem Blick und sage,mich ebenfalls um Unverständlichkeit bemühend, aber viel zu deutlich: «Sie ist bei ihrer Mutter.»
Meine Frau fährt in diesen Tagen immer zu ihrer Mutter. Es gibt jedes Mal gute Gründe dafür, und wir tun so, als ob sie stimmen, obwohl wir beide wissen, was der eigentliche Grund ist.
Hermann macht ein paar richtungslose Schritte vor der Garage und mustert dabei unser Haus und den Garten. Sein Blick fällt auf die verdorrten Reste einer Big-Daddy-Pflanze, die im Sommer knapp über der Erde wie einen Kranz telefonbuchgroße Blätter ausbreitet: «Mrrroooooh. Die werden ja im Winter richtig fies, ne? Haben viele Nachbarn
Weitere Kostenlose Bücher