Lustig, lustig, tralalalala
Kette?», fragt Sybille von Schlieffen mich dann. Sie sieht ziemlich verwundert aus.
«Äh», mache ich. «Die hat mein Freund mir geschenkt.»
«Ihr Freund?»
«Äh, ja.» Nein. Nein. Bitte, lieber Gott, lass sie die Kette nicht kennen.
«Das ist doch Astrids Kette», sagt Sybille.
«Astrids Kette …», wiederhole ich dümmlich, versuche dabei zu grinsen und sehe wahrscheinlich aus wie ein Kastanienmännchen, das sich vor irgendwas furchtbar erschreckt hat. «Wer ist Astrid?», frage ich dann, ohne überhaupt irgendwas zu verstehen.
Sybille wirkt verwundert, aber nicht verärgert. «Na, Astrid ist die Freundin meines Mannes», erklärt sie mir mit ruhiger Stimme. «Die Kette hat er mir doch noch gezeigt und gefragt, ob sie mir gefällt beziehungsweise ob ich glauben würde, dass sie Astrid gefällt.»
«Ach so.» Bitte, was soll ich sonst sagen?
Sybille beugt sich noch ein Stück weiter zu mir. Jetzt sieht sie so aus, als würde sie mir gleich ein irres Geheimnis mitteilen und ich sei ihre einzige Verbündete, weil es sich bei dem Geheimnis um Mord oder so handelt.
«Clemens …»
, sagt Sybille. «Clemens ist mein Mann.»
«Das weiß ich.» Mein Mund wird trocken.
«Aber jetzt müssen Sie mir auf die Sprünge helfen. Sie sind doch wohl nicht seine Freundin? Sie heißen doch gar nicht Astrid. Oder habe ich mich verhört? Ihr Name ist doch Lena.»
«Das ist richtig.» Immer schön bei der Wahrheit bleiben.
«Und der Clemens, der eben bei Ihnen angerufen hat, das ist Ihr Freund? Ach, waren wir nicht beim Du? Also, dein Freund.»
Ich nicke.
«Ist dein Freund mein Mann?», will Sybille neugierig wissen.
Ich nicke und warte darauf, dass mir mit einem Tranchiermesser der Kopf abgetrennt wird. Aber nichts passiert. Sybille runzelt lediglich die Stirn und zieht die Augenbrauen nach oben. «Das finde ich jetzt aber nicht okay», sagt sie dann. «Wir führen nämlich eine offene Beziehung, weißt du. Und zu einer offenen Beziehung gehört meiner Ansicht nach die Wahrheit. Von dir hat er mir allerdings nichts erzählt.»
«Er mir von dir schon», sage ich und merke, wie sich ein dumpfes Gefühl in mir breitmacht. Meine Zunge fühlt sich pelzig an und mein Hirn irgendwie schwammig. Langsam wird mir das ein bisschen zu viel hier. So ganz langsam.
«Was hat er denn erzählt?», will Sybille wissen und sieht mich auffordernd an.
Natürlich könnte ich jetzt lügen und sagen «Nur das Beste, nur das Beste», aber ich habe keine Lust zu lügen. Vielleicht weil ich zu lange angelogen worden bin.
Also erzähle ich Sybille die Wahrheit.
«Das hat er wirklich gesagt?», fragt sie mich fassungslos und ist blass, während ich mir schäbig vorkomme.
«Astrid ist Anfang zwanzig», erklärt Sybille mir. «Und sie ist für Clemens so was wie ein Jungbrunnen. Ich hatte nichts dagegen, dass er was mit ihr anfängt. Ich hab ja selbst einen anderen, und davon weiß Clemens auch. Aber dass er so schlecht von mir redet, das finde ich unmöglich. Er hätte doch einfach die Wahrheit sagen können.»
«Wahrscheinlich wollte er sich eine Hintertür offen lassen», sage ich. «Und es war ja auch bequemer so. Er konnte die Familie ja immer vorschieben und ist nur dann zu mir gekommen, wenn er wollte.»
Und wenn er zu mir kam, ging es nur um Sex. Dauernd mussteich Clemens bestätigen, was für ein toller Hecht er im Bett war. Dabei – mit Verlaub gesagt – hätte er sich bei anderen Männern mehrere Scheiben abschneiden können.
Ich bin so durcheinander, dass ich Sybille einfach so anglotze.
«Dann hat er mich also auch angelogen», konstatiert sie und denkt nach. «Das ist gegen unsere Abmachung. Das finde ich richtig mies.»
«Ich auch», flüstere ich heiser.
Clemens ist also bei einer Astrid, die für ihn ein Jungbrunnen ist.
Na, dann frohe Weihnachten.
«Hier», sie schenkt mir nochmal nach. «Jetzt wird getrunken. Das tut mir wirklich total leid für dich, Lena. Glaub mir, ich bin selbst völlig überrascht.»
Das nehme ich ihr sofort ab.
«Und Astrid weiß mit Sicherheit dann auch weder von mir noch von dir.»
«Wahrscheinlich nicht.»
«Und er hat wirklich gesagt, dass ich eine keifende, blöde Zicke bin, die vergessen hat, für Weihnachten einzukaufen?»
«Ich schwöre», schwöre ich.
«Dieser Arsch», sagt Sybille böse. Dann steht sie auf. Zum Glück haben die anderen von unserem Gespräch nichts mitbekommen, sie sitzen alle auf Sofas und Sesseln und unterhalten sich über belanglose Dinge, und
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