Lustig, lustig, tralalalala
Methoden meinen Weg, und wenn Ihnen das nicht gefällt, dann können wir das gerne hier beenden.»
«Sie … das kann ja wohl nicht … Sie …»
«Seien Sie, wer immer Sie sein wollen», sagt Dr. Gorlek, «ich empfehle mich in aller Freundlichkeit.» Dann legt er auf. Ich schnaufe. Die Gehilfen sehen mich an wie erstaunte Katzen.
Das Telefon klingelt. Ich nehme sofort ab. «War das jetzt wieder ein Test, Dr. Gorlek?», frage ich, doch am anderen Ende der Leitung ist nicht Gorlek, sondern meine Frau.
«Wer ist Dr. Gorlek?», fragt sie.
«Hallo, mein Herz», sage ich.
«Mutter ist ins Krankenhaus eingeliefert worden», sagt meine Frau, und das Vomex klumpt in meinem Magen, was sie spürt. «Nein, keine Angst, es ist nicht so dramatisch. Sie hat Blut gehustet wegen des ständigen Staubs von der Baustelle nebenan. Zur Sicherheit machen sie eine Lungenspiegelung und einige weitere Tests, um auszuschließen, dass es etwas Schlimmeres ist als Überreizung durch Baustaub. Sie muss allerdings über die Feiertage hierbleiben.»
Ich schaue zu meinen Gehilfen. Ich denke an die Bücher, die Platten, die Spiele, die Schrauben, den Atlas. Alles unwichtig.
«Ich komme», sage ich, «bin in drei Stunden da.»
«Hab dich lieb!», sagt meine Frau.
«Ich dich auch!», sage ich und winke derweil schon den Gehilfen.
Der Weg zur Schwiegermutter in der Kölner Klinik ist lang. Der junge Mann an der Rezeption schickt uns nicht quer über das Krankenhausgelände, wie es richtig wäre, sondern unterirdisch durch einen Tunnel, der die verschiedenen Trakte miteinander verbindet. Der Tunnel ist finster, kalt und lang. So lang, dass man sein Ende nicht sehen kann. Artur singt etwas in ihn hinein, und es wird als Echo zurückgeworfen. Am Rand der Röhre stehen verwaiste Rollstühle mit aufgeplatztem Polster. Nach drei Kilometern erreichen wir einen grauen Vorraum mit Aufzügen. Nur noch 12 Flure, dann sind wir da. Schwiegermutter und Frau sitzen an einem runden Tisch im Aufenthaltsraum der Station, reden mit anderen Patienten und freuen sich, als ich mit den Zwillingen im Gepäck das Zimmer betrete. Im Auto haben wir nicht CDs weggehört, die dieses Jahr noch offen waren, sondern einfach gesungen. Artur und sein Zwilling haben Gitarren dabei. Ich trage Sachen, die ich immer trage, und nicht die, die man ganz unten aus dem Schrank zieht, weil sie vor Jahresende noch einmal angezogen werden müssen.
«Mutter», sage ich und umarme sie. Dann küsse ich meine Frau. Eine Schwester begrüßt uns und bietet Kaffee an. Zu Hause ist nichts fertig. Artur stellt seine Gitarre ab.
Am Heiligen Abend sitzen wir nicht bei uns daheim und servieren das perfekte Dinner zur detailliert geschmückten Wohnung mit leerem Wäschekorb im Keller und komplett ausgelesenem Bücherregal. Nein. Wir hocken mit siebenanderen Patienten im Aufenthaltsraum eines schäbigen, unterfinanzierten Krankenhauses, essen Stollen und Plätzchen aus dem Billigsupermarkt, riechen Honigkerzen, die vom Rotkreuzstand übrig geblieben sind, und singen Weihnachtslieder, die Artur und sein Zwilling auf der Gitarre spielen. Mutter hat nichts Schlimmes, die Lungenspiegelung war ergebnislos, die Gewebebiopsie ohne Befund. Nur der Staub hat sie geplättet. Wir werden den Bauherrn verklagen, ich kenne da einen guten Anwalt bei uns im Dorf, er golft mit Dr. Schlottmann. Nun feiern wir erst mal Weihnachten, ohne dass irgendetwas fertig wäre. Und es macht mir nichts aus. Schwiegermutter singt kräftig die Weihnachtslieder mit und hat dabei Tränen der Rührung in den Augen, weil sie sich an ihre Kindheit erinnert. Sie ist christlich erzogen worden, hat sich dann als erwachsene Frau grimmig und klar für Elvis, Sinatra und den Atheismus entschieden, bekommt aber jedes Jahr Augenwasser, wenn die alten Lieder erklingen. Ihrer eigenen Tochter hat sie das Wort und das Songwriting Gottes nie beigebracht und so singt meine Frau nur einzelne Worte mit, während sie sehr süß mit den Augen nach Hilfe sucht.
Ich entschuldige mich einen Augenblick, zücke mein Handy, gehe den grau-beigen Flur hinab zu einem Fenster, vor dem es schneit, und wähle die Nummer von Dr. Gorlek. Es tutet. Ein AB geht ran. «Ja, Dr. Gorlek, Broich hier. Ich wollte Ihnen nur sagen: Prioritätenverschiebung. Das ist die Lösung. Falls mal wieder so einer kommt wie ich. Nur so als Tipp. Keine Energierückgabe. Keine suggestiven Fragen, die den Süchtigen nur auf die Idee bringen, jetzt erst
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