Lustig, lustig, tralalalala
revidierte ihre Meinung, dass es egal war, wen ihre Tochter mit nach Hause brachte, und ihr Vater verschränkte die Arme und nahm Rudolf stellvertretend für mich in den Schwitzkasten.
«Ich», setzte ich an, aber ich kam nicht weit, da ich unterbrochen wurde.
«Da war noch was drin», stellten die Nichten fest und hielten meinen Ring in die Höhe. Die Köpfe der Anwesenden spielten Tennis, alle Blicke richteten sich auf mich. Ich seufzte. Ich überlegte kurz, Reißaus zu nehmen und nackt nach Hause zu trampen, jede Geiselnahme war besser als diese Situation. Doch dann stutzte ich. Ich nahm mir einen Moment und dachte nach. Ein leises Lächeln umspielte meine Lippen.
Was es denn so blöd zu grinsen gebe, wollte der Vater wissen.
Eine ganze Menge, dachte ich. Wenn nicht jetzt, wann dann? Man sollte immer den perfekten Augenblick abwarten, aber gab’s den? Was hatte ich schon zu verlieren? Immerhin hätte ich so die Gelegenheit, schon vorab zu prüfen, wie ernst das mit den guten und schlechten Zeiten gemeint sein würde. Ich ging zu den Nichten und nahm ihnen den Ring weg. Dann kniete ich mich vor Kerstin und nahm ihre Hand in meine.
Mischa-Sarim Vérollet,
geboren 1981 auf Gi braltar, ist Humorist und Schriftsteller mit anglo-frankophonem Migrationshintergrund. Er ist der Autor von «Das Leben ist keine Waldorfschule», zuletzt erschien sein Roman «Warum ich Angst vor Frauen habe». Leseprobe und Auftrittstermine unter www.verollet.de
Mirja Boes
Geschenkt
A m ersten Weihnachtstag stürmt mein Neffe Emil mit leuchtenden Augen in mein Wohnzimmer: Frühstück und Bescherung bei Mimi (das bin ich). Das muss doch lustig werden.
Es dauert zwei Sekunden, bis er meinen Weihnachtsbaum entdeckt. Und eine halbe, bis sich aller Abscheu dieser Welt in seinem kleinen, putzigen Gesicht manifestiert. Was ist da los? Was hat Mimi sich dabei gedacht? Warum stiehlt sie mir bereits in jungen Jahren jeden Glauben an Weihnachten? Was ist mit dem Christkind? Hat es jetzt Augenkrebs? All diese Gedanken sehe ich durch den süßen Kopf meines vierjährigen Neffen schießen, während er auf meinen Weihnachtsbaum starrt. O. k. – er ist aufblasbar. O. k. – er ist pink. Aber immerhin kullern in seinem Inneren lustige kleine Styroporkügelchen, fast wie Schnee, und aus traditionellen Gründen habe ich mich auch noch dazu hinreißen lassen, mit Tesafilm Kugeln und Engel auf diesen baumigen Luftballon zu kleben.
Mein Neffe hat auch gar nichts gegen aufblasbare Bäume. Aber er hat etwas gegen Pink, denn er ist ein Junge, und er ist vier Jahre alt. Zum Glück sieht er dann die Geschenke, die ich vor (unter gibt’s bei einem aufblasbaren nicht) dem Weihnachtsbaumaufgetürmt habe. Das Aufreißen stimmt ihn wieder milde. Was hab ich mir nur dabei gedacht, so einen Baum aufzustellen? Ich, die größte Weihnachtsmaus von allen?? Als ich klein war, feierten wir Weihnachten in meiner Familie ganz traditionell und immer gleich. Es fing mit Kartoffelsalat am Heiligmittag an. Dann ging es zur Kindermette, auf der ich Blockflötenstücke zum Besten gab (meine Eltern waren sehr erfreut, dass ich Blasinstrumente zu spielen lernte – solange ich blies, konnte ich nicht sprechen). Nach der Messe mussten wir Kinder nach oben verschwinden, damit meine Eltern die Gabensessel aufbauen konnten, denn es gab für jeden einen Sessel mit Geschenken, wobei meine Eltern penibel darauf achteten, dass mein großer Bruder und ich extreeem gerecht beide gleich viel bekamen. Hatten die Geschenke meines Bruders etwa fünfzig Pfennig mehr gekostet, gab es für mich noch einen Kätzchenbleistift obendrauf. Das macht es vielleicht überflüssig zu erwähnen, dass meine Eltern als Lehrer im Beamtendienst tätig waren und mein Vater Mathe unterrichtete …
Wir Kinder packten zur selben Zeit in unseren Zimmern noch hektisch die Geschenke für die Erwachsenen ein, meist etwas Selbstgebasteltes; aber dazu später mehr. Oft auch Haushaltsgegenstände. Das ging bei uns so lange gut, bis meine Mutter uns nach Weihnachten nur noch mit Suppenlöffeln Eier essen ließ, weil die Eierlöffel ja nur ihr gehörten. Sie hatte sie schließlich zu Weihnachten bekommen und nicht wir. Da dämmerte uns, dass meine Mum sich doch nur mäßig über Besteck oder Eierkocher zu Weihnachten freut. Übrigens: Achtung an alle männlichen Leser, diese Information wird an späterer Stelle dieser Geschichte noch eine große Bedeutung für euch bekommen …
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