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Lustig, lustig, tralalalala

Lustig, lustig, tralalalala

Titel: Lustig, lustig, tralalalala Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia Morgowski
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missdeutete. Sie kniff die Lippen zusammen und zog den Braten näher an sich heran. Ich zwinkerte ihr zu. Sie funkelte böse zurück.
     
    Eine knappe Stunde später schmolz ich in meinem Norwegerpulli dahin, das Essen hatte ganze Arbeit geleistet und mich geschafft. Kerstins Papa öffnete seinen Gürtel und strich sich über den Bauch, und die Mutter räumte die Teller weg. Ich kippte noch schnell den Restschluck Bier hinunter. Als ich wieder aufschaute, blickte mich die ganze Familie erwartungsvoll an. Der Vater zwinkerte mir zu, die Mutter nickte aufmunternd. Ich schaute Kerstin verwirrt an.
    «Ähm», sagte sie, «kann ich dich kurz mal draußen sprechen?»
    Vollends verunsichert, folgte ich ihr in den Hausflur.
    «Es ist so», flüsterte sie, «jedes Jahr rezitiert einer von uns an Heiligabend nach dem Abendessen ein Gedicht.»
    «Und?», fragte ich.
    «Das ist eine schöne Tradition, wir alle machen das immer total gern, gerade für die Kinder ist das schön.»
    «Und?», fragte ich. Eine dunkle Vorahnung beschlich mich.
    «Na ja», sagte sie, «und dieses Jahr fragten meine Eltern, ob du das wohl machen wolltest.»
    «Und? Du hast doch wohl hoffentlich nein gesagt?!»
    «Nein.»
    «Was, nein? Nein gesagt oder nein, weil nicht nein gesagt?»
    «Letzteres.»
    «Nicht nein gesagt?»
    «Ja.»
    «Nein!», rief ich ungläubig. Sie bedeutete mir, leiser zu sein. Die ganze Familie freue sich drauf, ich solle es mal so sehen, es sei eine große Ehre, die mir da zuteilwürde, ihre Exfreunde hätten das nie gedurft. Ich beneidete die glücklichen Schweine. Und seufzte. In guten wie in schlechten Zeiten, rief ich mir in Erinnerung. Immerhin wollte ich diese Frau heiraten, und so hätte sie die Gelegenheit, schon vorab zu prüfen, wie ernst das mit den guten und schlechten Zeiten gemeint sein würde.
    «Na gut», gab ich nach, «wenn’s mehr nicht ist.»
    Sie schaute mich für meinen Geschmack ein wenig zu mitleidig an.
    «Genau genommen ist es schon noch ein bisschen mehr.»
    «Was denn?», fragte ich misstrauisch.
    Sie flüsterte es mir ins Ohr.
    Zwei Minuten und eine fruchtlose Diskussion später stapfte ich grummelnd die Treppe hoch. Das konnte alles nicht wahr sein. Partnernorwegerpullis tragen? Okay. Ein Weihnachtsgedicht aufsagen? Meinetwegen. Aber ein Weihnachtsgedicht in einem Weihnachtsmannkostüm aufsagen? Nein! Nein, nein und nochmals nein.
    Du tust es für die Kinder, betete ich mir vor, als ich das Zimmer betrat, wo das Kostüm auf mich wartete, wie mir Kerstin gesagt hatte. Du tust es für die Kinder. In guten wie in schlechten Zeiten. Ich atmete tief durch. Was ein Scheiß. Und ich hatte noch nicht mal Zeit, vorher zur Beruhigung ein Tütchen zu rauchen, da ein Arsenal an Vorfreude im Esszimmer darauf wartete, endlich abgefeuert zu werden.
     
    Missgelaunt öffnete ich den Kleiderschrank. Da war alles Mögliche drin, bloß kein Weihnachtsmannkostüm. Sollte das Schicksal mir hold gewesen sein? Hatten sich die Klamotten in Luft aufgelöst? Aber ich wusste, dass ich damit bei Kerstin nicht durchkommen würde. Es gab jetzt kein Zurück mehr. Irgendwo in diesem Zimmer sollte ein Weihnachtsmannkostüm auf mich warten, ich musste es nur finden. Da erspähte ich aus dem Augenwinkel etwas Rotes, das aus dem Koffer meiner Liebsten ragte. Da haben wir’s doch, dachte ich und öffnete ihn. Was ich sah, verschlug mir die Sprache.
    «Das kann nicht dein Ernst sein», rief ich hinunter. Ich solle nicht so herumzicken, zischte sie zurück, alle warteten schon, ich solle machen.
    Das konnte wirklich nicht ihr Ernst sein. Entsetzt holte ich eine rote Weihnachtsmannmütze, eine kleine Glocke sowie einen roten, mit Fell und goldenen Sternen besetzten Tanga heraus. Ich war versucht, mich selbst zu kneifen. Ich wollte nur noch aus diesem Albtraum erwachen. Das sollte das Kostüm sein? Ein glatter Euphemismus. Ich bekam erste ernsthafte Zweifel bezüglich des geistigen Zustands dieser Familie. Aber wie so oft schienen auch hier stille Wasser tief zu sein. Das war eine Entwicklung, mit der ich nicht gerechnet hatte. Ich nahm mein Handy und rief Toni an.
    «Hm», sagte dieser, nachdem ich ihm mein Leid geklagt hatte. «Hm. Vielleicht wollen sie herausfinden, was du ihrer Tochter so in Sachen Erbgut zu bieten hast. Hat man früher bei Gladiatoren auch so gemacht, bevor man die gekauft hat.»
    «Meinst du nicht eher Rennpferde?»
    «Das war zum einen eine Metapher», sagte Toni, «und zum anderen bist du für das eine zu schlecht

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