Lustig, lustig, tralalalala
dass wir Männer uns da verstünden.
«Ach ja», fügte er hinzu, «ich finde es ganz toll, wirklich ganz toll, dass du dich bereit erklärt hast, das zu übernehmen.»
Diese Anspielungen auf Taten, von denen ich nichts wusste und die in meiner unmittelbaren Zukunft auf mich warteten, beunruhigten mich ein wenig, zumal Kerstin wieder überallhin, nur nicht zu mir schaute. Bevor ich dem Rätsel auf den Grund gehen konnte, kam Kerstins Schwester herein, die ich schonvon anderen Gelegenheiten kannte, begrüßte mich freundlich, auch ihr Mann und ihre Töchter wünschten mir einen guten Morgen, bloß Kerstins Oma schaute mich über ihre Lesebrille hinweg verächtlich an und schnaubte, als ich sie grüßte. Kerstin hatte mich vorgewarnt: Die Oma kam ihrer eigenen unbescheidenen Meinung nach aus besseren Verhältnissen, war felsenfest davon überzeugt, dass ihre Tochter – Kerstins Mutter – runtergeheiratet hatte, und sah jetzt ein ähnliches Schicksal auf ihre Enkelin zukommen. Ich versuchte, die Unhöflichkeit zu ignorieren, und wandte mich einem herzhaften Frühstück zu, das keine Wünsche offenließ.
Nach dem Frühstück begannen die Mädels, den Baum zu schmücken. Kerstins Vater fragte mich, ob ich seine Werkbank sehen wolle. Ich lehnte dankend ab und zog mich in unser Zimmer zurück, wo ich meinen Koffer aus der Ecke holte und das Auspacken nachholte, das ich aufgrund der gestrigen Müdigkeit auf heute verschoben hatte. Ich faltete meine Wäsche zur Seite und nahm die kleine Teedose heraus. Ich lächelte. Meine Rettungsbox. In ihr bewahrte ich meine Notfallration Gras auf, die immer dann in Anspruch genommen wurde, wenn Alkohol nicht mehr weiterhalf. Auch wenn es Weihnachten war und vermutlich eine familiäre Überzuckerung bevorstand – so weit war es dann doch noch nicht. Jetzt hatte die Dose ohnehin primär die Aufgabe, meinen Ring zu beherbergen und ihn vor Kratzern und verfrühten, allzu neugierigen Blicken zu schützen. Aber da langte eine kleine Blechdose bei weitem nicht.
Da Kerstin die Angewohnheit besaß, jedes Mal an Heiligabend meine Sachen zu durchsuchen, um schon vorab einen Blick auf ihre Geschenke werfen zu können, beschloss ich, die Dose woanders zu verstecken. Ich schaute mich im Zimmer um. Im Regal entdeckte ich eine ganze Reihe von Blechbüchsen.Sie hatten französische Beschriftungen, manche enthielten Gewürze, andere Salz, wiederum andere kleine duftende Blätter. Ich erinnerte mich, dass Kerstin mal von einem Frankreichurlaub erzählt hatte. Diese kleinen Dosen waren offenbar ein Mitbringsel gewesen. Ich hatte das perfekte Versteck gefunden. Ich stellte meine Teedose dazu, die farblich genau hineinpasste. So offensichtlich und doch so genial. Dort würde Kerstin garantiert nicht suchen.
Den Rest des Nachmittags verbrachte ich schlummernd. Die Nacht war hart gewesen, ich hatte kaum ein Auge zugetan, zumal Kerstin beschlossen hatte, unter die Schnarcher zu gehen. Ich wusste, dass ein langer, langer Abend bevorstand, und so legte ich mich hin. Zwischendurch kam jemand herein, aber ich stellte mich tot, da ich befürchtete, sonst eine weitere Werkbanksbesichtigung angeboten zu bekommen. Gerade als ich tief und fest eingeschlafen war, weckte mich Kerstin, das Essen sei fertig. Sie bedeutete mir, schon mal runterzugehen, sie müsse noch was erledigen. Ich tat ahnungslos, grinste aber innerlich, von wegen, dachte ich, diesmal findest du nichts.
Im Esszimmer erwartete mich die Familie. Es roch wunderbar. Kerstins Eltern hatten sich nicht lumpen lassen und offenbar das Beste aufgefahren, was Grübelheim zu bieten hatte. Eine ehemalige Gans glänzte heiß und fettig in der Mitte des Tisches und verhieß himmlische Gaumenwonnen, drum herum wartete ein breites Sortiment an Beilagen darauf, verspeist zu werden. Ich schnalzte bewundernd mit der Zunge; dieses Festbankett entschädigte allemal für das Grauen des selbstgestrickten Pullovers, den ich und alle anderen trugen.
Am Ende des Tisches saß wie immer die missmutige Oma und stierte Löcher in die Decke. Wie mir erklärt worden war, bekam sie jedes Jahr an Heiligabend eine Extrawurst in Formeines Bratens. Laut eigener Aussage vertrug sie kein Geflügel, vielleicht weigerte sie sich auch einfach aus Prinzip, das wusste niemand so genau und wollte auch keiner großartig hinterfragen, da es weniger Malässe bedeutete, ihr einfach ihren Willen zu gönnen. Plötzlich sah sie mich direkt an und bemerkte meinen Blick, den sie als Begierde
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