Lustige Streiche mit Hanni und Nanni
entwickelte. Es machte den Mädchen Spaß, sie zu necken.
„Meine Güte! Claudines Sommersprosse sieht man jetzt aber ganz deutlich“, sagte Hilda und starrte auf die kleine weiße Nase.
„Ja, das wird eine wirkliche Schönheit!“, bestätigte Hanni.
„So groß wie ein Zweimarkstück!“, fügte Nanni hinzu.
Claudine stieß einen Schrei des Entsetzens aus und zog den kleinen Spiegel hervor, den sie immer bei sich trug. „Ich habe keine Sommersprosse“, sagte sie dann entrüstet. „Ihr verwechselt mich wohl mit der da!“
Die Mädchen drehten sich um. Wen meinte Claudine? Es war Irene, die in Gedanken versunken den Korridor entlangkam.
„Weshalb sieht Irene jetzt immer so bedrückt aus?“, fragte Hilda nachdenklich. „Als ob sie ein Geheimnis hat und sich fürchtet, jemand könne es erraten. Manchmal macht sie einen ganz elenden Eindruck!“
„Dabei hat sie ihre Mutter hier und kann mit ihr sprechen!“, sagte Hanni. Die anderen schnaubten verächtlich.
„Pah“, machte Bobby. „Würdest du dieser Mutter irgendetwas erzählen, was dich bedrückt? Ich ganz bestimmt nicht! Sie ist so hart wie ein Stein. Ich hoffe nur, dass ich nie krank werde, solange sie hier ist. Von ihr möchte ich wahrhaftig nicht gepflegt werden.“
Die Mädchen blieben Irene gegenüber vorsichtig. Jede absichtliche oder unabsichtliche Kränkung hatte ihre Folgen. Angela blieb als Einzige verschont. Sie konnte tun und lassen, was sie wollte.
„Wahrscheinlich vermisst Irene ihren großen Bruder“, sagte Bobby. „Ihr erinnert euch doch noch, was uns Angela erzählte - dass er sie besuchte, dass er aber nicht seine Mutter sehen wollte. Sicher ist er in irgendwelchen Schwierigkeiten und Irene macht sich deswegen Sorgen.“
„Arme Irene“, sagte Hilda. „Ich werde versuchen, mit ihr zu reden.“
Mit viel Zartgefühl ging Hilda daran, Irene auszufragen, aber sie erfuhr nur sehr wenig.
„Wie alt ist denn dein Bruder, Irene?“, erkundigte sie sich. „Ähnelt er dir sehr?“
Irene zog eine Momentaufnahme hervor und zeigte sie Hilda. Sie schien froh zu sein, dass sie mit jemandem über Eddy reden konnte. „Er ist achtzehn“, sagte sie, „drei Jahre älter als ich. Er ist ein sehr lieber Kerl. Aber er hat nie viele Möglichkeiten gehabt. Weißt du, mein Vater ist sehr früh gestorben. Eddy sollte eigentlich studieren, aber wir haben nicht so viel Geld. Er muss sich seinen Lebensunterhalt selber verdienen.“
Hilda betrachtete das Foto: Er war ein weich aussehender junger Mann, dieser Eddy. Er machte einen freundlichen Eindruck, aber mehr konnte man nicht über ihn sagen.
„Als was arbeitet er denn?“, fragte sie.
„Eddy ist in einem Ingenieurbüro“, erzählte Irene. „Er kommt gut voran. Eines Tages wird er eine Menge Geld verdienen.“
„Du machst dir doch seinetwegen keine Sorgen? Oder?“, erkundigte sich Hilda und schaute Irene offen an.
„Sorgen wegen Eddy? Natürlich nicht! Warum sollte ich? Ich wäre nur froh, wenn ich ihn öfters sehen könnte, das ist alles. Ich vermisse ihn sehr.“
Hilda drang nicht weiter in Irene. Es fiel ihr nur auf, dass Irene immer vergrämter aussah und sich immer weniger am Unterricht beteiligte. Ob das tiefere Gründe hatte?, überlegte Hilda.
Oft hörten die Mädchen, wie die Hausmutter an Irene herumnörgelte. Manchmal bekam sie freilich eine patzige Antwort, aber meist ließ Irene alles wortlos über sich ergehen. Einigen Schülerinnen tat Irene leid, die meisten lächelten jedoch schadenfroh. Für sie blieb Irene eine Petze.
Es kamen Geburtstage, Überraschungen wurden vorbereitet und Geschenke gekauft. Angela hatte genügend Taschengeld und erstand kostbare Dinge. Bettina versuchte sie manchmal darin zu übertreffen, aber es gelang ihr nicht.
Irene schenkte überhaupt nichts. „Es tut mir leid“, sagte sie zu Hilda an deren Geburtstag. „Ich würde dir gern etwas geben - aber ich habe im Augenblick leider kein Geld. Trotzdem gratuliere ich dir sehr herzlich und wünsche dir alles Gute.“
„Danke schön“, sagte Hilda. Sie fand es sehr mutig von Irene, dass sie so offen und ehrlich war und keine alberne Ausrede benützte. In diesem Moment mochte sie Irene richtiggehend gern.
Angela schenkte Hilda ein Lederetui für den Füller und einen silbernen Bleistift darin. Hilda freute sich sehr darüber. Dann kam Bettina mit einem Saffiangeldbeutel, auf dem Hildas Anfangsbuchstaben gedruckt standen.
„Oh, Bettina - so etwas Hübsches habe ich mir schon lange
Weitere Kostenlose Bücher