Lustnebel
und hielt sich die Hand vor, atmete nur flach und war erleichtert, als der Mief sich verzogen hatte. Neben ihren Füßen erkannte sie grünes Weidegras. Erleichtert lenkte sie ihre Schritte dorthin. Über dem Boden schien der Nebel nicht so dicht und zäh zu schweben, und Rowena vergaß ihre Vorsicht. Sie nahm zwei große Schritte, froh einen Ausweg gefunden zu haben, lief los, um im nächsten Moment ins Leere zu treten. Sie erreichte den Grund, doch da war es zu spät. Obwohl es nur eine Mulde war, verlor sie das Gleichgewicht und fiel der Länge nach ins Gras. Sie stieß sich das Kinn und biss sich auf die Wange. Heißer Schmerz durchzuckte ihr Knie.
Rowena blieb wie paralysiert liegen. Das kühle, feuchte Gras tat ihrem Kinn wohl. Ihr Knie schmerzte, als hätte ein Stier dagegengetreten. Eine Weile lang war sie unsicher, ob sie in der Lage sein würde, sich zu erheben. Ihr Bein fühlte sich komplett taub an, seltsamerweise schien der Schmerz kaum der Rede wert. Vielleicht eine Folge des Schrecks, analysierte Rowena distanziert. Sie konnte nicht liegen bleiben. Sie musste Chayton von Alices Beschuldigungen erzählen. Trotz dieser Überlegungen schaffte sie es nicht, sich aufzuraffen. Stattdessen ließ sie das nasse Gras ihr Kinn kühlen und staunte über die anhaltende Schmerzlosigkeit ihres Beines, obwohl sie im ersten Moment geglaubt hatte, sich die Kniescheibe zertrümmert zu haben.
Ein Miauen vor ihrem Kopf erregte ihre Aufmerksamkeit. Ohne Staunen erblickte Rowena dieselbe Katze, die ihr schon mehrmals beigestanden hatte. Langsam gewöhnte sie sich daran, dass das Tier immer erschien, wenn sie in Nöten steckte und Hilfe benötigte.
„Schön, dass du Zeit für mich erübrigen kannst“, begrüßte sie die Samtpfötige und merkte, dass ihr das Sprechen schwerer fiel als sonst. Beim Bewegen des Kiefers knirschte es in den Gelenken. Die violetten Augen der Katze wirkten spöttisch. „Ich weiß, jedes Mal, wenn wir uns begegnen, scheine ich Hilfe zu brauchen“, verteidigte sich Rowena. Ihr Kiefer knackte so laut, dass Rowena erschrak. „Ich wäre über einen Ritter hoch zu Ross auch mehr angetan als von dir. Und du würdest bestimmt vorziehen, eine fette Maus zu jagen, statt ständig über mich zu stolpern. Könntest du bitte aufhören, mich so anzugucken, als wäre ich eine?“
Die Katze verzog ihr Maul und schien zu lächeln. Sie schnurrte und rieb ihren Kopf an Rowenas Wange. Das feine Fell fühlte sich samtweich an. Die Schnurrhaare kitzelten an ihrem Mundwinkel, und die Geräusche, die das Tier von sich gab, vibrierten auf Rowenas Haut. Nach einer Weile zog sich die Katze zurück, setzte sich auf ihre Hinterläufe und musterte Rowena auffordernd.
Genötigt von ihrem pelzigen Schutzengel, sich zu erheben, unternahm sie einen Versuch, sank aber mit einem Schrei auf den Hintern. Ihr Knie hielt es mitnichten für nötig, schmerzfrei oder wenigstens betäubt zu bleiben. Ein stechender Schmerz sauste ihren Schenkel empor und jagte ihr Tränen in die Augen. Die Nässe, die nun ihr Hinterteil merklich durchtränkte, nicht beachtend, krempelte Rowena ihre Röcke hoch, drückte den Reifrock hoch und zog ihre knielangen Unterhosen über das verletzte Gelenk, um sich die Bescherung zu betrachten. Das Knie hatte sich gerötet und wies oberhalb eine Eindellung auf. Vorsichtig betastete sie den Bereich. Die Verletzung pulsierte und schien heiß. Rowena richtete ihre Kleidung und riskierte einen zweiten Versuch. Da sie wusste, dass ihr rechtes Bein gehandicapt war, gelang es ihr aufzustehen.
Die Katze blickte zufrieden zu Rowena auf. Beim Verlagern ihres Gewichts musste sie erkennen, dass mehr als behutsames Humpeln kaum möglich war. Sie lenkte sich ab, indem sie erneut mit der Katze vor sich redete: „Wie heißt du eigentlich? Wie soll ich dich nennen?“
„Miau“, machte das Tier.
„Miau?“
„Miau.“ Der Laut klang für Rowena bestätigend, also beschloss sie, die Katze Miau zu taufen.
Miau hob ihren Schwanz, reckte ihren Kopf majestätisch und entschied dann offenbar, sich erst einmal ausgiebig zu strecken, indem sie ihren Körper lang machte, den Po in die Luft hob und den Kopf senkte.
Danach musterte sie Rowena umfassend und machte mit hochmütiger Körperhaltung kehrt. Rowena folgte dem Stubentiger humpelnd.
Behindert durch die nassen, schweren Röcke und ihre Verletzung, kamen sie nur langsam vorwärts, obwohl sie durch niedriges Gras liefen. Der Nebel ließ an Intensität nach. Doch nach wie
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