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Lustnebel

Lustnebel

Titel: Lustnebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivy Paul
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Funkeln in Alices Augen.
    Rowena unterdrückte das ungute Gefühl, das sich mit Entschlossenheit mischte. Sie zwang sich zu einem strahlenden Lächeln und ließ sich herzlich begrüßen.
    „Alice, Ihr seht fabelhaft aus“, begann sie.
    Alice neigte dankend ihren Kopf. Das lodengrüne Kleid unter dem braunen Cape und der passenden Schute schmeichelte ihrem Teint und war überdies aus teurem Tuch gefertigt, wie Rowena auf Anhieb erkannte.
    „Zu freundlich, Rowena.“ Alice lachte wie immer einen Tick zu laut, als dass es ehrlich wirkte. Rowena ließ den Gedanken zu, ob Alice wohl bewusst ihre Gesellschaft suchte.
    Sie nahm Rowenas Hand in ihre. „Euer Butler erwähnte, Ihr wolltet einen Spaziergang unternehmen?“, vergewisserte sich Alice. Ihr Streicheln über Rowenas Handrücken löste argwöhnisch-nervöse Schauer in ihr aus. Sie entzog sich Alices Griff.
    „Einen langen, ausgedehnten Spaziergang“, ergänzte Rowena betont munter. „Habt Ihr Lust, mich zu begleiten?“
    Ein lauernder Blick glitt über Alices Züge, und Rowena richtete sich unwillkürlich auf. Alice klatschte begeistert in die Hände. „Sehr gern, liebste Rowena!“ Sie strahlte. „Ich habe auch schon eine Route im Kopf. Der Weg wird Euch gefallen!“ Sie wühlte in ihrer Tasche und zog ein kleines Retikül hervor. „Das habt Ihr beim letzten Besuch bei mir vergessen. Habt Ihr es vermisst?“
    Rowena verkniff sich jegliche Reaktion und nahm den Beutel entgegen, um ihn dem Hausmädchen zu reichen, das im Hintergrund wartete, ob man es benötigte.
    „Bei Euch habe ich mein Retikül also verloren?“ Rowena lachte gespielt überrascht. „Und ich dachte schon, eins der Mädchen hätte es verlegt.“
    „Ihr seid nicht zurückgekehrt, um es zu holen?“, wollte Alice wissen.
    Rowena verneinte kopfschüttelnd. „Natürlich nicht, ich habe sein Fehlen erst heute Morgen bemerkt“, behauptete sie und wandte sich dem Dienstmädchen erneut zu. Auf Rowenas aufforderndes Nicken holte die Bedienstete Pelisse und Schute und half ihr beim Anziehen. Kurz darauf drehte sie sich Alice zu. „Wollen wir aufbrechen?“
     
    Zweifelnd sah Rowena hinüber zu den Hügeln, die ihr Alice anpries. Schon öfter hatte sie ihre Blicke dorthin gelenkt, einmal einen kurzen Spaziergang in diese Richtung unternommen, doch die Gegend erwies sich als sumpfig und schwer zugänglich. Die Felsen wirkten zerklüftet und wenig anheimelnd, auch wenn Alice ihre Schönheit lobte. „Glaubt mir, Rowena, es wird Euch gefallen“, versicherte ihr die Blondine.
    Rowena folgte ihr zögernd. Sie hätte einen der Pfade vorgezogen, die sie bereits kannte, und ihre ganze Aufmerksamkeit auf ihre diskrete Befragung Alices gelenkt.
    Alice stiefelte voran, als wäre sie auf einem Kreuzzug. Rowena merkte schnell, dass Alice eine erfahrene Wanderin war, der der Weg keine Mühen bereitete.
    „Eure Besucher haben sich verabschiedet?“, fragte Rowena, um das Eis zu brechen.
    Alice warf ihr einen prüfenden Blick zu. Sie verlangsamte ihre Schritte und hakte sich bei Rowena ein. „Vorsicht, dort ist ein Kaninchenloch.“ Sie deutete auf eine Mulde vor Rowenas Füßen und zog sie zur Seite. Das Gras unter Rowenas Sohlen war dick und federte leicht. In der Ferne stieg feiner Dunst aus den Gräsern hoch. Nebel. Immer dieser allgegenwärtige Nebel. Einzelne bleigraue Wolken hingen am Himmel wie Sprenkel auf einer Leinwand. Alice hielt Rowenas Arm weiterhin sanft umklammert, und obwohl es ihr nicht angenehm war, entzog sie sich nicht dem Griff der Blondine.
    „Meine Gäste sind nach dem Frühstück nach London zurückgekehrt“, beantwortete Alice Rowenas Frage.
    „Es sind ausgesprochen sympathische Menschen“, startete Rowena die Konversation. „Woher kennt Ihr die fünf?“
    „Der Earl of Sufferton pflegt denselben Club wie mein Wilson zu besuchen. Annabelle Bouché ist eine Bekannte von mir, und die anderen Herren brachte Lord Sufferton mit“, behauptete Alice.
    Sie umrundeten einen Grashügel und den Bereich, der vor ihnen lag und überwuchert war von hohem, hartem Sumpfgras, das nicht einmal die Schafe anrühren mochten. Ein junges, braungeflecktes Schaf knabberte an normalen Halmen herum, hob dann den Kopf und blökte, während es Rowena mit seinen schwarzen Augen musterte.
    „Ich hasse Schafe“, stieß Alice inbrünstig hervor, und Rowena wandte sich der Frau zu. Sie blickte angewidert auf das putzige Tier, das ihre Abneigung zu spüren schien, weil es sich umdrehte und davontrollte.

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