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Lustnebel

Lustnebel

Titel: Lustnebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivy Paul
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Rowenas Körper. Sie hob schützend ihre Arme, doch der erwartete Angriff von Alice blieb aus. Stattdessen rannte Alice an ihr vorbei, zurück in Richtung, aus der sie gekommen waren. Zumindest nahm Rowena das in ihrer Verwirrung an.
    Mühsam rappelte sie sich auf. Mit dem Korsett und den weiten, dicken Röcken war es schwerer als gedacht, wieder auf die Beine zu kommen. Sie wischte sich Grashalme und Erdbrocken vom Rock und sah sich um. Nebel waberte über dem Moor.
    Frustriert überblickte Rowena das Gelände. Matschgraue Schwaden zogen auf. Als Rowena sich umdrehte, erkannte sie, dass aus dieser Himmelsrichtung bleierne Nebelwolken heranzogen. Erschrocken starrte sie einen Moment auf das Naturschauspiel, beobachtete, wie der Dampf sich ausdehnte und herankroch, ein alles verschlingendes Monster mit unzähligen Tentakeln, die berührten, bedeckten und vereinnahmten, was immer ihren Weg kreuzte. Rowena unterdrückte ein Zittern. An den wenigen Stellen ihres Körpers, an denen die nackte Haut die Luft küsste, spürte sie, wie der Dunst an ihr entlangglitt wie feuchte, kühle Berührungen. Einige Augenblicke lang ließ sie das Ganze auf sich wirken, dann raffte sie sich auf.
    Sie musste umkehren, vertrautes Gelände erreichen und nach Hause gelangen. Sie fröstelte. Sobald sie in Barnard Hall angekommen wäre, gehorchte sie Chayton. Sie bliebe im Haus, ohne Alice oder deren schrecklichen Mann zu empfangen, geschweige denn, ihnen die Aufwartung zu machen. Nach dem Erlebnis eben verspürte sie keinerlei Bedürfnis, den Cuthberts auf hundert Meilen nahe zu kommen. Auch ohne Beweise glaubte Rowena ohne jeden Zweifel, dass die beiden tiefer in die Hellfire-Club- Angelegenheiten verstrickt waren, als sie bislang vermutet hatte.
    Alices Beschuldigungen gegen Chayton schienen ihr plausibel, immerhin hatte er die ersten Monate nicht gerade den liebevollen Ehemann gegeben. Doch Alice konnte nicht wissen, dass Chayton Rowena einige seiner Geheimnisse enthüllt und dass sich zwischen den beiden Liebe und Vertrauen entwickelt hatte. Ihr Herz mochte Alices Verleumdungen nicht glauben.
    „Nimm dich in Acht vor allzu großem Vertrauen“, raunte eine Stimme in ihrer Erinnerung. „Die Menschen sind nicht immer das, was sie zu sein vorgeben.“
    Rowenas Kehle wurde trocken, und in ihrem Hinterkopf saß wieder jene pulsierende Kälte, die sie stets überkam, wenn sich Angst mit düsterer Vorahnung vereinte. Wollte diese Vision sie vor Chayton oder vor Alice warnen?
    Ein intensives Stechen in ihrem Magen ließ sie sich krümmen. Sie wollte nicht glauben, dass Chayton ihr Übel wollte, doch was wusste sie wirklich? Hatte er ihr Beweise geliefert? War er oder Alice blutverschmiert von Rowena angetroffen worden? Sie presste ihre Faust an ihre Lippen, um das Keuchen zu unterdrücken, das nach draußen drängte. Die Kälte in ihrem Schädel wurde beängstigend. Der Nebel um sie herum war mittlerweile so dicht geworden, dass sie kaum mehr ihre ausgestreckte Hand vor den Augen erkannte. Ein weiterer kostbarer Moment verstrich, in dem sie nachdachte und Übelkeit sie überrollte. Sie atmete tief ein und aus, dann fasste sie sich ein Herz und tastete sich vor.
    Die Schwaden schienen undurchdringlich. Die Sicht beschränkte sich auf weniger als einen Meter. Nie zuvor hatte Rowena einen solch dicken Nebel erlebt. Schritt für Schritt lief sie in die Richtung, die sie für jene hielt, aus der sie gekommen war.
    Alice blieb verschwunden, darüber war Rowena froh, obwohl die Blondine sich offenbar blind in der Gegend auskannte. Zweifelnd überlegte sie, ob Alice das geplant hatte. So wie Rowena hatte versuchen wollen, Alice auszuhorchen. Im Nachhinein verfluchte sie ihren törichten Einfall. Genauso gut hätte sie Alice direkt befragen können. Vielleicht hätte Alice mit der ihr eigenen gehässigen Art nur zu gern alle Unklarheiten beseitigt. Bestimmt hätte Alice keine Morde zugegeben. Aber zwischen den Zeilen hätte Rowena gewiss herausfinden können, was in jener Nacht mit Claire geschehen war. Die Frau, mit der sich Claire vergnügt hatte, wurde Bella genannt, eine hochgewachsenen Blondine. Natürlich musste Alice diese Frau gewesen sein! Die Erkenntnis traf Rowena wie ein Paukenschlag. Wie hatte sie nur all diese kleinen Fakten übersehen können?
    Der Boden unter Rowenas Füßen gab schmatzende Geräusche von sich, und nachdem ein leiser Knall Rowena erschreckte, trieb der Nebel den Gestank von faulen Eiern Rowenas Nase entgegen. Sie würgte

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