Luther. Die Drohung
Verhör
beginnt.
»Malcolm Perry«, sagt sie. »2001, im Alter von vierzehn Jahren,
stießen Sie zufällig auf die Todesanzeige von Charlotte James, die eine Woche
zuvor bei einem Motorradunfall gestorben war. Sie machten sich zum
St.-Charles-Friedhof auf, ausgerüstet mit«, sie runzelt leicht die Stirn, liest
im Bericht nach, »Grabwerkzeugen und einer Plane, die Sie offenbar von einem
Nachbarn gestohlen hatten.«
Malcolm begegnet ihrem Blick durch langes, in der Mitte
gescheiteltes Haar.
»Sie wurden festgenommen bei dem Versuch, Miss James auszugraben, um
allem Anschein nach mit ihrer Leiche Geschlechtsverkehr zu haben.«
Malcolm zuckt mit einer Schulter. Schiebt sich eine Haarsträhne
hinters Ohr.
»Da Sie minderjährig waren und da sexuelle Handlungen mit
menschlichen Leichen erst durch den Sexual Offences Act 2003 illegal wurden,
hat man Sie mit einer Verwarnung wegen geringfügiger Delikte gehen lassen. Und
mit der Auflage, sich in psychiatrische Behandlung zu begeben.
Als Sie jedoch 2005 bei einem Bestattungsinstitut arbeiteten, wurden
Sie dabei erwischt, wie Sie die Leiche eines achtundzwanzigjährigen weiblichen
Verkehrsunfallopfers sexuell missbrauchten. Sie haben Blut und Urin aus ihr
herausgesaugt, ihr ins Gesäß gebissen, dann Analverkehr mit ihr gehabt. Dafür
erhielten Sie eine Haftstrafe von sechs Monaten, von der Sie vier Monate
abgesessen haben. Sie wurden entlassen mit der Auflage, zweimal wöchentlich
eine Beratungsstelle aufzusuchen.«
Howie schließt den Ordner, legt die Hand flach darauf und richtet
ihre grünen Augen auf Malcolm.
»Also«, fragt sie, »wie läuft’s mit der Beratung? Machen Sie
Fortschritte?«
»Na ja«, antwortet Malcolm. »Kommt drauf an, was Sie mit
›Fortschritte‹ meinen.«
»Ich meine damit, wollen Sie noch immer Sex mit toten Frauen?«
Es folgt ein langes Schweigen.
»Also gut«, sagt Howie. »Wann hat das angefangen? Diese besondere
Art der Liebesgefühle?«
»Als ich klein war«, antwortet er. »Ich hab Bestattungszeremonien
für meine Haustiere abgehalten. Ich hatte einen kleinen Tierfriedhof. Das steht
alles in der Akte, vermute ich.«
»Wie wählen Sie sie aus? Ihre Opfer.«
»Geliebten.«
»Wie auch immer.«
»Man braucht einen Job bei einem Bestattungsinstitut, in einem
Krankenhaus, auf einem Friedhof. In einem Leichenschauhaus hat man eindeutig
die besten Karten.«
»Also mögen Sie sie frisch?«
»Frisch wie der junge Morgen.«
Sie sieht ihn gleichgültig an. »Aber natürlich ist das schwierig für
Sie, nicht wahr? Wo es Ihnen doch verboten ist, mit oder auch nur irgendwo in
der Nähe von Toten zu arbeiten.«
»Ich praktiziere nicht«, sagt er. »Ich bin keine Leichenratte mehr.«
»Und wie kommt das?«
»Ich habe nicht vor, als politischer Gefangener zu enden.«
»Ist Leichen zu vergewaltigen also eine politische Haltung?«
»Eine Leiche ist ein Gegenstand. Gegenstände kann man nicht
vergewaltigen.«
»Und was ist mit den Familien?«
»Die Toten gehören ihnen nicht.«
»Ihnen ist alles gleichgültig, nicht wahr, Malcolm? Sie nehmen sich
von den Toten, was Sie wollen. Wen kümmert es, wie die Familien sich
möglicherweise fühlen. Und Sie zahlen keine Miete. Dieser ganze
Frieden-und-Liebe-Scheiß, den Sie auf Ihre T-Shirts drucken …«
»Das ist kein Scheiß.«
»Bei Frieden und Liebe geht es um gegenseitigen Respekt. Und Sie
haben vor niemandem Respekt.«
»Das stimmt nicht.«
»Sie sind also keine Leichenratte mehr. Was sind Sie dann? Ich
meine, ich glaube nicht, dass die Beratung Ihnen auch nur im Geringsten
geholfen hat, oder? Ich glaube, Sie sind schlau genug, um das zu sagen, was man
von Ihnen hören will. Aber die ganze Zeit über haben Sie weiter fantasiert.
Masturbiert beim Gedanken an tote Mädchen.«
»Natürlich fantasiere ich, die Gedanken sind frei. Ich kann denken,
woran ich will, wenn ich mir einen runterhole. Das hier ist kein Polizeistaat.
Noch nicht.«
»Das ist richtig«, sagt Howie. »Solange niemand verletzt wird.«
»Worauf wollen Sie hinaus?«
»Was halten Sie von Dr. Tom Lambert?«
»Was, mein Berater?«
»Ja«, sagt Howie. »Ihr Berater.«
»Er ist ein scheinheiliges Arschloch. Wieso?«
»Scheinheilig inwiefern?«
»Vor hundert Jahren haben Faschisten wie er sich dafür eingesetzt,
Homosexuelle kastrieren zu lassen.«
»Haben Sie deswegen gedroht, ihn umzubringen?«
»Geht es darum?«
»Ich weiß nicht. Was meinen Sie?«
»Denn das habe ich nicht gesagt. Er lügt.«
»Sehen
Weitere Kostenlose Bücher